Ursache der Fahrunfähigkeit unerheblich
Das Bundesgericht weist die Beschwerde einer Automobilistin ab, die geltend gemacht hatte, dass die Ursache ihrer Fahrunfähigkeit (Art. 31. Abs. 2 SVG) nicht festgestellt worden war (BGer 6B_582/2009 vom 05.09.2009).
Die Bestimmung einer eigentlichen Ursache der Fahrunfähigkeit „aus anderen Gründen“ (Art. 31 Abs. 2 SVG) ist im Einzelfall entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht zwingend erforderlich. Entscheidend ist allein, dass die Fahrunfähigkeit tatsächlich gegeben ist, was bei der Beschwerdeführerin offensichtlich der Fall war. Aus welchen Gründen sich diese Fahrunfähigkeit ergibt, ist von untergeordneter Bedeutung. Die Vorinstanz stützt sich insofern zu Recht auf das Gutachten des IRM vom 9. Juni 2008, in welchem ausgeführt wird, dass die Feststellung der Fahrunfähigkeit keine medizinische Diagnose oder ein chemisch-toxikologisches Analysenresultat im Blut voraussetze, sondern auf einer Beurteilung beruhe, die ad hoc durch die Polizei aufgrund von Beobachtungen einer konkreten Fahrt oder durch einen Arzt gestützt auf bestimmte Symptome des Lenkers erfolge. Die von der Beschwerdeführerin angerufene Lehrmeinung (HANS GIGER, Kommentar zum Strassenverkehrsgesetz, 7. Aufl 2008, Art. 31 SVG N 5) verlangt denn auch richtigerweise nur, dass die Fahrunfähigkeit an sich zu beweisen ist, nicht jedoch ihre Ursache (E. 3.5.2).
Das ist ja grundsätzlich sicher richtig. Im vorliegenden Fall beruhte das (gerichtsmedizinische) Gutachten aber offenbar allein Aussagen der Beschwerdeführerin und von Zeugen:
Das Gutachten nehme einerseits Bezug auf die Beobachtungen der Zeugen A., B. sowie der Polizisten C. und D., welche unabhängig voneinander zum Schluss gelangten, dass der Beschwerdeführerin die Fahreigenschaft abgegangen sei. Andererseits analysiere das Gutachten auch deren eigene Aussagen, namentlich hinsichtlich der vorgebrachten medizinischen Aspekte, welche aufgrund der Befunde ihres Hausarztes als nicht stichhaltig interpretiert worden seien (E. 3.2).
Ich verstehe nicht, wie man hier auf das Gutachten abstellen konnte. Ich verstehe auch nicht, wie man die Erstellung ein solchen Gutachtens überhaupt anordnen konnte. Ich verstehe allerdings, dass die Beschwerdeführerin verurteilt wurde.
Ja, die Wege der Gerichte sind eben manchmal unergründlich… 😉
Bei diesem Fall kommt mir 6B_187/2009 in den Sinn: Der für BGer massgebliche Sachverhalt bestand darin, dass der Angeschuldigte „mit einem scharfen Gegenstand an den Kopf des Opfers schlug“. Es war also offen, mit welchem Gegenstand der Schlag versetzt wurde. Dennoch wurde der Angeschuldigte der qualifizierten Form der einfachen Körperverletzung mit einem gefährlichen Gegenstand schuldig gesprochen. In Erwägungen hält das BGer sogar fest: „Auch wenn die Vorinstanz offen lässt, mit welchem scharfen Gegenstand der Beschwerdeführer den Beschwerdegegner 1 verletzt hat, zweifelt sie nicht an seiner Täterschaft.“ Lauter Bäume sieht man den Wald nicht, denn damit ich beurteilen kann, ob der Gegenstand gefährlich ist, muss ich zunächst wissen, um was für einen Gegenstand es sich handelt.
Naja, die ‚Gutachteritis‘ kommt von der bei den Gerichten immer mehr Einzug haltenden Zurückhaltung, allein aufgrund etwa von Sachbeweisen und Aussagen zu verurteilen. Der moderne Richter will wenn möglich von einem Experten hören, was die Beweismittel denn genau bedeuten. Wo es einen Experten dazu gibt, wird er in der Regel auch beigezogen.
Was nicht weiter verwundert, die „Überzeugung des Richters“ überzeugt eben heutzutage niemanden mehr wirklich. Diese Skepsis ist wohl im Allgemeinen durchaus positiv zu werten, aber das System versucht sie natürlich unwillkürlich auszuräumen (pun intended).
Also folgt nach der „Gutachteritis“ dann die „Expertitis“? Mir scheint das alles nur der Abgabe der Verantwortung zu dienen, so können die Richter die ja eigentlich zu entscheiden haben, wenn es später doch die falsche Entscheidung war, einfach alles den Gutachtern und Experten in die Hose schieben, ist ja sehr praktisch.
Vor allem wo jetzt ja bekannt ist, dass so viele Gefälligkeitsgutachten und Gefälligkeitsexpertisen gemacht werden, ist es doch sehr fahrlässig solchem Geschreibsel einfach blind zu vertrauen – von Richtern dürfte man meiner Meinung nach eigentlich schon ein bisschen mehr Menschenverstand erwarten, oder?
Und gerade was „Beweise“ betrifft, finde ich, wird einfach zu wenig geprüft, vielfach wird einfach mal einer Partei geglaubt, teilweise sogar dann wenn die andere Partei eigentlich die besseren Beweise hat, doch die kann ja nicht machen, weil die Gerichte ja frei sind was die Würdigung der Beweise betrifft – ich nenne das Willkür!
Nun immerhin kann Willkür der ersten Instanz normalerweise zwei Mal gerügt werden. Einzig das BGer kann sich unbekümmert „Willkür“ erlauben.