Urteilsdispositiv auf 244 Seiten

Ein ZMG aus dem Kanton Zürich hat einen Entsiegelungsentscheid erlassen, der allein für das Dispositiv 244 Seiten umfasste. Das Bundesgericht kassiert den Entscheid wegen etlicher formaler Fehler, welche eine Überprüfung offenbar unmöglich machten (BGer 1B_535/2020 vom 28.07.2021), und erteilt dem ZMG ein paar Ratschläge, die für solche Fälle hilfreich sein könnten:

Im Lichte von Art. 112 Abs. 1 BGG sollte der Entsiegelungsentscheid namentlich wie folgt verbessert werden: 

Die Sachverhaltserwägungen des Entsiegelungsentscheides sollten auch eine kurze Zusammenfassung der wesentlichen Prozessgeschichte vor der prozessleitenden Verfügung des ZMG vom 9. Juli 2019 enthalten (Gegenstand der Strafuntersuchung, Daten der Sicherstellungen und der Siegelungsbegehren, Datum und Gegenstand des Entsiegelungsgesuches). Sodann hat das ZMG zu prüfen, ob das Dispositiv nicht in deutlich verkürzter und übersichtlicherer Form ausgefertigt werden kann (z.B. indem auch im Dispositiv – so wie in den Erwägungen – die “Kategorien” der Dateien angegeben und die zugehörigen Nummern bzw. “Hashwerte” der Einzeldateien in einem separaten Anhang nachvollziehbar aufgeführt würden). Dem ZMG stünde es nötigenfalls frei, diesbezüglich die Hilfe von technischen Experten in Anspruch zu nehmen (vgl. Art. 248 Abs. 4 StPO).  

Soweit es sich für das ZMG – wider Erwarten – als unumgänglich erweisen sollte, ein Dispositiv mit mehreren hundert Seiten Umfang zu erlassen und für tausende einzeln aufgelistete Dateien einen Entsiegelungsentscheid zu fällen, wäre zumindest Folgendes zu empfehlen: Einem äusserst umfangreichen und unübersichtlichen Dispositiv müsste jedenfalls eine Zusammenfassung bzw. ein Inhaltsverzeichnis vorangestellt werden mit kohärenten Erklärungen, auf welchen Seiten und Ziffern des Dispositives welche entsiegelungsrelevanten Entscheide vorgenommen werden (unterteilt in: Feststellung der Gegenstandslosigkeit, Gutheissung bzw. Abweisung des Entsiegelungsgesuches, und mit nachvollziehbarer Identifizierung der betroffenen Dateien).  Weiter wird – gerade bei einem komplexen Entsiegelungsentscheid wie dem vorliegenden – darauf zu achten sein, formale und inhaltliche Fehler zu korrigieren und möglichst zu vermeiden. (Formale Fehler finden sich derzeit z.B. bei der Nummerierung der Erwägungen: zwei mal Ziffer “I.”, S. 2-10 und S. 10-30.)  Schliesslich wird das ZMG, auch im Lichte der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft, zu prüfen haben, ob die Erwägungen des Entsiegelungsentscheides alle nötigen Sachangaben enthalten, damit die Verfahrensbeteiligten (und gegebenenfalls die Beschwerdeinstanz) die Rechtmässigkeit des Entscheides überprüfen können (E. 5, Hervorhebungen durch mich). 

Die Staatsanwälte werden diesen Entscheid bestimmt zum Anlass nehmen, um weiter gegen die Siegelung zu argumentieren. Man könnte ihn aber ebenso gut gegen die Praxis der Staatsanwaltschaften verwenden, die ohne konkrete Hinweise auf untersuchungsrelevante Information sicherstellen was immer sie an Daten finden. und die Triage dann den Gerichten überlassen; dies in der Gewissheit, dass sicher nichts gesiegelt bleibt, das belastend sein könnte (ZMG als Erfüllungsgehilfen der Staatsanwaltschaft).