Verdeckte Ermittlung / verdeckte Fahndung
Nachdem die Schweizerische Strafprozessordnung bereits vor ihrem Inkrafttreten abgeändert worden war, soll nun eine neuerliche Änderung erfolgen, die im Vorentwurf vorliegt. Er geht auf die parlamentarische Initiative 08.458 (Jositsch) hervor.
Im Einzelnen sieht der VE folgende Änderungen vor:
5. Abschnitt: Verdeckte Ermittlung
Art. 285a (neu) Begriff
Verdeckte Ermittlung liegt vor, wenn Angehörige der Polizei oder Personen, die
vorübergehend für polizeiliche Aufgaben angestellt sind, unter Verwendung einer
auf Dauer angelegten, durch Urkunden abgesicherten falschen Identität (Legende)
und indem sie durch aktives, zielgerichtetes Verhalten zu Personen Kontakte
knüpfen und ein besonderes Vertrauensverhältnis aufbauen, in ein kriminelles
Umfeld einzudringen versuchen, um besonders schwere Straftaten aufzuklären.Gliederungstitel vor Art. 286
AufgehobenArt. 288 Abs. 1 und 2
1 Die Polizei stattet verdeckte Ermittlerinnen oder Ermittler mit einer Legende aus.
2 Betrifft nur den französischen Text5a. Abschnitt: Verdeckte Fahndung
Art. 298a (neu) Begriff
1 Verdeckte Fahndung liegt vor, wenn Angehörige der Polizei im Rahmen kurzer
Einsätze in einer Art und Weise, dass ihre wahre Identität und Funktion nicht
erkennbar ist, Verbrechen und Vergehen aufzuklären versuchen und dabei
insbesondere Scheingeschäfte abschliessen oder den Willen zum Abschluss
vortäuschen.
2 Verdeckte Fahnderinnen und Fahnder werden nicht mit einer Legende ausgestattet.
Ihre wahre Identität und Funktion wird in den Verfahrensakten und bei
Einvernahmen offengelegt.Art. 298b (neu) Voraussetzungen
1 Die Staatsanwaltschaft und, im Ermittlungsverfahren, die Polizei können eine
verdeckte Fahndung anordnen, wenn:
a. der Verdacht besteht, ein Verbrechen oder Vergehen sei begangen worden;
und
b. die bisherigen Ermittlungs- oder Untersuchungshandlungen erfolglos
geblieben sind oder die Ermittlungen sonst aussichtslos wären oder
unverhältnismässig erschwert würden.
2 Hat eine von der Polizei angeordnete verdeckte Fahndung einen Monat gedauert,
so bedarf ihre Fortsetzung der Genehmigung durch die Staatsanwaltschaft.Art. 298c (neu) Anforderungen an die eingesetzten Personen und Durchführung
1 Für die Anforderungen an die eingesetzten Personen gilt Artikel 287 sinngemäss.
Der Einsatz von Personen nach Artikel 287 Absatz 1 Buchstabe b ist
ausgeschlossen.
2 Für Stellung, Aufgaben und Pflichten der verdeckten Fahnderinnen und Fahnder
sowie der Führungspersonen gelten die Artikel 291 – 294 sinngemäss.Art. 298d (neu) Beendigung und Mitteilung
1 Die anordnende Polizei oder Staatsanwaltschaft beendet die verdeckte Fahndung
unverzüglich, wenn:
a. die Voraussetzungen nicht mehr erfüllt sind;
b. im Falle einer Anordnung durch die Polizei die Genehmigung der
Fortsetzung durch die Staatsanwaltschaft verweigert wird; oder
c. die verdeckte Fahnderin oder der verdeckte Fahnder oder die
Führungsperson Instruktionen nicht befolgt oder in anderer Weise ihre
Pflichten nicht erfüllt, namentlich die Staatsanwaltschaft wissentlich falsch
informiert oder die Zielperson in unzulässiger Weise zu beeinflussen
versucht.
2 Die Polizei teilt der Staatsanwaltschaft die Beendigung der verdeckten Fahndung
mit.
3 Bei der Beendigung ist darauf zu achten, dass die verdeckte Fahnderin oder der
verdeckte Fahnder keiner abwendbaren Gefahr ausgesetzt wird.
4 Für die Mitteilung der verdeckten Fahndung gilt Artikel 298 Absätze 1 und 3
sinngemäss.
Wenn ich richtig verstanden habe, wird auch bei der Verdeckten Fahndung ein bereits bestehender Tatverdacht (“…Verbrechen oder Vergehen sei begangen worden…”) verlangt (vgl. neuen Art. 298b StPO). Damit wären ja die viel diskutierten “präventiven Massnahmen” der Polizei (aka fishing expeditions) in Chatrooms oder Alkoholtestverkäufe von Jugendlichen weiterhin unzulässig, oder? Letzteres schon deshalb, weil die Anwendung von 287 Abs. 1 lit. b bei der Verdeckten Fahndung ausgeschlossen wird (vgl. neuen Art. 298c Abs. 1 S. 2 StPO), womit nur Angehörige eines Polizeikorps (und damit keine Jugendlichen Testkäufer) eingesetzt werden dürfen. Damit wäre ja nur ein Teil der oft erwähnten “Probleme” bei der Verdeckten Ermittlung aufgrund der eidg. StPO gelöst, oder? Sollen diese nun durch kantonales Recht oder das (unsägliche) Polizeiaufgabengesetz gelöst werden? Ich habe offensichtlich die Übersicht verloren (s. a. http://www.parlament.ch/d/suche/seiten/resultate.aspx?collection=CV&f_thesaurus_1_text_opt=verdeckte Ermittlung&f_thesaurus_1=L05K0504010204&f_thesaurus_1_opt=0&f_thesaurus_1_boolop=AND)…
Im Übrigen: Vielen Dank für deine stets aktuellen, fundierten und kritischen Beiträge!
Geht mir genauso.