Vereitelung des Anspruchs auf mündliche Verhandlung

In BGer 6B_266/2012 vom 22.06.2012 heisst das Bundesgericht eine Laienbeschwerde gut und macht der Vorinstanz recht harte Vorwürfe. Der erste Vorwurf betrifft eine widersprüchliche Verfügung:

Gemäss der Verfügung vom 3. August 2011 wurden die Parteien aufgefordert, “innert 10 Tagen ab Zustellung dieser Verfügung mitzuteilen, ob sie auf eine mündliche Berufungsverhandlung verzichten” (Ziff. 1). “Ohne Zustimmung aller Parteien wird das mündliche Verfahren durchgeführt. Stillschweigen gilt als Zustimmung” (Ziff. 2) [E. 2].

Der Beschwerdeführer verstand diese Verfügung nicht und erntet beim Bundesgericht Verständnis:

Es ist verständlich, dass der Beschwerdeführer diese Verfügung nicht verstand. Dass er meinte, wenn er sich nicht melde, werde eine mündliche Verhandlung durchgeführt, kann ihm als juristischem Laien nicht angelastet werden. Das Vorgehen der Vorinstanz ist darüber hinaus heikel, weil es den Anschein erweckt, mittels einer prozessleitenden Verfügung den Anspruch des Beschwerdeführers auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu vereiteln (E. 2).

Im Weiteren wirft das Bundesgericht der Vorinstanz vor, Art. 405 und 406 StPO verletzt zu haben:

Die Vorinstanz hat zudem übersehen, dass der Beschwerdeführer die Verfügung vom 3. August 2011 nicht verstanden hatte. Mit einer zweiten Verfügung vom 25. August 2011 teilte sie ihm nämlich mit, es werde vorgemerkt, dass die Parteien mit der schriftlichen Durchführung des Berufungsverfahrens einverstanden seien und auf eine Verhandlung und eine mündliche Urteilseröffnung verzichtet hätten. Darauf wandte sich der Beschwerdeführer innert Frist mit Eingabe vom 15. September 2011 an die Vorinstanz und monierte, dass in der Verfügung vom 25. August 2011 “genau das Gegenteil” vom dem stehe, was in der Verfügung vom 3. August 2011 enthalten sei. Die Vorinstanz ist auf diese Rüge nicht eingegangen (vgl. angefochtenen Entscheid S. 6 Ziff. 4.5). Hätte sie die Rüge geprüft, so wäre sie darauf aufmerksam geworden, dass die Verfügung vom 3. August 2011 mangelhaft abgefasst war.

Unter den gegebenen Umständen hat die Vorinstanz mit dem Verzicht auf eine mündliche Verhandlung Art. 405 und 406 StPO verletzt. Die Beschwerde ist gutzuheissen, der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Sache zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen (E. 2).