Verfahrenseinheit gestärkt

Das Bundesgericht stärkt den Grundsatz der Verfahrenseinheit nach Art. 29 StPO mit einem neuen Entscheid (BGer 1B_124/2016 vom 12.08.2016).

Danach besteht nicht nur ein Anspruch auf Verfahrenseinheit, sondern auch ein Anspruch auf frühzeitige Vereinigung. Andernfalls würden die Parteirechte massiv beschränkt (was ja regelmässig der Grund für getrennte Verfahrensführung ist):

Die Parteien können spätestens nach der ersten Einvernahme der beschuldigten Person und der Erhebung der übrigen wichtigsten Beweise durch die Staatsanwaltschaft die Akten des Strafverfahrens einsehen; Artikel 108 StPO bleibt vorbehalten (Art. 101 Abs. 1 StPO). Die Parteien haben auch das Recht, bei Beweiserhebungen durch die Staatsanwaltschaft und die Gerichte anwesend zu sein und einvernommenen Personen Fragen zu stellen (Art. 147 Abs. 1 StPO; vgl. BGE 139 IV 25, bestätigt in BGE 141 IV 220 E. 4 S. 227 ff.).
Gemäss der Praxis des Bundesgerichtes (BGE 140 IV 172, bestätigt in BGE 141 IV 220 E. 4.5 S. 230) kommt den Beschuldigten in  getrennt geführten Verfahren im jeweils anderen Verfahren  keine Parteistellung zu. Es besteht daher kein gesetzlicher Anspruch auf Teilnahme an den Beweiserhebungen und an den Einvernahmen der anderen beschuldigten Personen im eigenständigen Untersuchungs- oder Hauptverfahren (Art. 147 Abs. 1 StPO e contrario). Ebenso wenig hat der separat Beschuldigte in den abgetrennten Verfahren einen Anspruch auf Akteneinsicht als Partei (Art. 101 Abs. 1 StPO). Er ist dort nötigenfalls als Auskunftsperson zu befragen bzw. als nicht verfahrensbeteiligter Dritter zu behandeln. Bei getrennt geführten Verfahren ist die Akteneinsicht an (nicht verfahrensbeteiligte) Dritte nur zu gewähren, wenn diese dafür ein wissenschaftliches oder ein anderes schützenswertes Interesse geltend machen und der Einsichtnahme keine überwiegenden öffentlichen oder privaten Interessen entgegenstehen (Art. 101 Abs. 3 StPO). Diese massive Einschränkung der Teilnahmerechte von Beschuldigten in getrennten Verfahren im Vergleich zu Mitbeschuldigten im gleichen Verfahren ist vom Gesetzgeber implizit vorgesehen und hinzunehmen (BGE 140 IV 172 E. 1.2.3 S. 176). Durch eine Verfahrenstrennung geht der beschuldigten Person (bezogen auf Beweiserhebungen der anderen Verfahren) auch das Verwertungsverbot des Art. 147 Abs. 4 StPO verloren, weil sie insoweit keine Verletzung ihres Teilnahmerechtes geltend machen kann (Urteil 1B_86/2015 vom 21. Juli 2015 E. 1.3.2 = Pra 2015 Nr. 89 S. 708). Schon angesichts dieser schwer wiegenden prozessualen Konsequenzen ist an die gesetzlichen Ausnahmevoraussetzungen einer Verfahrenstrennung (Art. 29 i.V.m. Art. 30 StPO) ein strenger Massstab anzulegen (E. 4.6).

Der Entscheid wirft der Staatsanwaltschaft auch inkonsequentes Verhalten vor. Bei der Begründung der Haft wird behauptet, was für die Vereinigung bestritten wird:

Aufgrund der vorliegenden Akten hätte für die Staatsanwaltschaft schon zwischen Januar und November 2015 Anlass bestanden, dem wichtigen Grundsatz der Verfahrenseinheit Rechnung zu tragen und Verfahrensvereinigungen bei den mutmasslichen Mittätern und Teilnehmern zumindest ins Auge zu fassen. Zwar machen die kantonalen Instanzen geltend, es hätten noch Überwachungen durchgeführt und ausgewertet werden müssen, um abzuklären, ob auch wirklich Mittäterschaft bzw. Teilnahme vorgelegen habe. Es erscheint jedoch zumindest inkonsequent, in den Haftprüfungsverfahren einerseits den dringenden Tatverdacht eines mittäterschaftlichen bzw. bandenmässigen Vorgehens während mehr als zehn Monaten zu behaupten, die sich daraus gemäss Gesetz ergebenden prozessualen Konsequenzen anderseits während knapp 12 Monaten nicht zu ziehen und (bis zur Eröffnung des vorinstanzlichen Verfahrens wegen Rechtsverzögerung) weder einen begründeten anfechtbaren Zwischenentscheid betreffend Verfahrensvereinigung bzw. -trennung zu fällen, noch eine förmliche Verfügung über die Akteneinsichtsgesuche des Beschwerdeführers. Gemäss Vorinstanz erklärte die Staatsanwaltschaft die Gesuche lediglich “als aktenkundig” (E. 5.8).