Verfassungswidrige Durchsuchung einer Arztpraxis

Das Bundesverfassungsgericht qualifiziert die Durchsuchung einer Arztpraxis als verfassungswidrig (BVerfG, 2 BvR 1219/07 vom 21.1.2008). Eine Zusammenfassung des Sachverhalts kann der Pressemitteilung des Gerichts entnommen werden.

Zu entscheiden war über das Verhältnis des Eingriffszwecks einer strafprozessualen Durchsuchungsanordnung bei einem Berufsgeheimnisträger zur Stärke des Tatverdachts

[zu diesem Verhältnis hat sich m.W. noch nie ein schweizerisches Gericht Gedanken gemacht; stattdessen begründet die hiesige Gerichtspraxis – nota bene unter dem unzutreffenden Titel der Verhältnismässigkeit – viel lieber, wieso im konkreten Fall das öffentliche Strafverfolgungsinteresse über den fraglichen Individualinteressen steht]:

In Anbetracht des relativ geringen Betrugsschadens und der Tatsache, dass ein kaum über bloße Vermutungen hinausreichender Tatverdacht bestanden hat, war die Durchsuchung der Arztpraxis unverhältnismäßig. Die Verdachtsgründe bewegten sich im Grenzbereich zu vagen Anhaltspunkten oder bloßen Vermutungen, die eine Durchsuchung unter keinen Umständen rechtfertigen konnten. Hinsichtlich der Schwere der vorliegenden Straftat ist von Bedeutung, dass der konkrete Sachverhalt keine schwere Tat oder den Eintritt schwerer Tatfolgen erkennen lässt. In die Verhältnismäßigkeitserwägungen hätte auch eingestellt werden müssen, dass mit der Durchsuchung der Praxisräume empfindliche Daten Dritter (anderer Patientinnen der Beschwerdeführerin) gefährdet waren (Absatz-Nr. 16).

Auf dieser Grundlage konnte das staatliche Interesse an der Aufklärung und Verfolgung von Straftaten, welchem nach dem Grundgesetz eine hohe Bedeutung zukommt (vgl. BVerfGE 100, 313 <388>), den schwerwiegenden Eingriff in die grundrechtlich geschützte Lebenssphäre der Beschwerdeführerin (vgl. BVerfGE 42, 212 <219>; 59, 95 <97>; 96, 27 <40>; 103, 142 <150 f.>) nicht rechtfertigen (Absatz-Nr. 17).