Verfassungswidrige Hausdurchsuchung
Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat die Durchsuchungen beim Betreiber eines Internetforums als verfassungswidrig qualifiziert (BVerfG, 2 BvR 945/08 vom 08.04.2009). Er war verdächtigt worden, urheberrechtlich geschütztes Material zu hosten. Gegen die Durchsuchungsbeschlüsse machte er eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 13 GG (vgl. dazu Art. 13 BV) geltend.
Was für Deutschland wenigstens in der Theorie und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts selbstverständlich ist, ist für schweizerische Verhältnisse (kein Richtervorbehalt, kein wirksamer nachträglicher Rechtsschutz) immer wieder lesenswert.
Zur Schwere des Eingriffs:
1. Art. 13 Abs. 1 GG garantiert die Unverletzlichkeit der Wohnung. Damit wird dem Einzelnen ein elementarer Lebensraum gewährleistet. In seinen Räumen hat er das Recht, in Ruhe gelassen zu werden. In diese grundrechtlich geschützte Lebenssphäre greift eine Durchsuchung schwerwiegend ein (…). Dem Gewicht des Eingriffs in das Grundrecht entspricht es, dass Art. 13 Abs. 2 GG die Anordnung einer Durchsuchung grundsätzlich dem Richter vorbehält. Dieser Richtervorbehalt zielt auf eine vorbeugende Kontrolle der Maßnahme durch eine unabhängige und neutrale Instanz (…). Erforderlich ist eine konkret formulierte, formelhafte Wendungen vermeidende Anordnung, die zugleich den Rahmen der Durchsuchung abstecken und eine Kontrolle durch ein Rechtsmittelgericht ermöglichen kann (…). Das Gewicht des Eingriffs verlangt als Durchsuchungsvoraussetzung Verdachtsgründe, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen. Ein Verstoß gegen diese Anforderungen liegt vor, wenn sich sachlich zureichende plausible Gründe für eine Durchsuchung nicht finden lassen (…).
Zur Voraussetzung der Verhältnismässigkeit des Eingriffs (vgl. dazu für das CH-Recht: Art. 36 BV):
Die Durchsuchung muss im Blick auf den bei der Anordnung verfolgten Zweck Erfolg versprechend sein. Ferner muss gerade diese Zwangsmaßnahme zur Ermittlung und Verfolgung der vorgeworfenen Tat erforderlich sein; dies ist nicht der Fall, wenn andere, weniger einschneidende Mittel zur Verfügung stehen. Schließlich muss der jeweilige Eingriff in angemessenem Verhältnis zu der Schwere der Straftat und der Stärke des Tatverdachts stehen (…).
Im konkreten Fall bestanden bereits Zweifel am hinreichenden Tatverdacht:
Den angegriffenen Entscheidungen lässt sich nicht entnehmen, dass die Verdachtsgründe, die sich gegen den Beschwerdeführer richteten, über bloße Vermutungen und vage Anhaltspunkte hinausreichten, die eine Wohnungsdurchsuchung unter keinen Umständen rechtfertigen können.
Jedenfalls war der Eingriff nicht verhältnismässig:
Vor der Anordnung einer in die Grundrechte des Beschwerdeführers schwerwiegend eingreifenden Durchsuchung wären andere grundrechtsschonendere Ermittlungsschritte vorzunehmen gewesen, um den allenfalls geringen Tatverdacht zu erhärten oder zu zerstreuen. Es hätte zunächst von der Ermittlungsbehörde geprüft werden können, ob die von dem Anzeigeerstatter vorgelegten Bildschirmkopien authentisch waren und die Links tatsächlich auf urheberrechtlich geschützte Werke verwiesen.
[…]
Dass die in Betracht kommenden Maßnahmen möglicherweise nicht sofort zur vollständigen Sachverhaltsaufklärung geführt hätten, vermag unter den hier gegebenen Umständen nicht die unmittelbare Vornahme des schwerwiegendsten Eingriffs zu rechtfertigen. Es ist nicht erkennbar, dass bei Vornahme der grundrechtsschonenderen Maßnahmen eine Verschlechterung der Beweislage zu befürchten gewesen wäre.
Ein schweizerisches Gericht wäre auf die Beschwerde mangels aktuellen praktischem Rechtsschutzinteresses kostenfällig nicht eingetreten, etwa nach dem Motto
Was belästigen sie uns eigentlich mit einer derart unsinnigen Beschwerde? Wir können die Verletzung – so es denn eine gewesen wäre – doch nicht rückgängig machen.