Verfassungswidrige Hausdurchsuchung

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG 2 BvR 15/11, Beschluss vom 26.10.2011) hält erneut fest, dass Durchsuchungsanordnungen verfassungsrechtlich nur zulässig sind,

wenn der auf zureichende tatsächliche Anhaltspunkte gegründete Verdacht besteht, dass der Betroffene eine Straftat begangen hat. Angesichts der Schwere des Grundrechtseingriffs müssen die Verdachtsgründe über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen (übernommen aus den Leitsätzen des HRRS-Bearbeiters).

In der Schweiz, die im Gegensatz zu Deutschland für Hausdurchsuchungen nicht einmal den Richtervorbehalt kennt, werden solche Beschwerden leider immer noch oft zurückgewiesen. Eine kürzlich ergangene Begründung eines nicht publizierten obergerichtlichen Nichteintretensbeschlusses lautet wie folgt:

Art. 241 [StPO] legt abschliessend fest, was ein Hausdurchsuchungsbefehl zu enthalten hat. Die Durchsuchungsvoraussetzungen sind darin nicht zu begründen. Tatsächlich macht eine Begründung des Hausdurchsuchungsbefehl nur dann Sinn, wenn er angefochten werden könnte, was vor der durchzuführenden Durchsuchung selbstredend nicht geschehen kann. Die gesetzlichen Voraussetzungen von Hausdurchsuchungen sind nachträglich darzulegen, sei es in Beschlagnahmeverfügungen (Art. 263 StPO), Entsiegelungsgesuchen (Art. 248 Abs. 2 StPO) oder auch Kostenentscheiden im Sinne von Art. 429 Abs. 1 lit. c, 431 und 434 StPO. Art. 431 Abs. 1 StPO erfasst ausdrücklich rechtswidrig angewandte Zwangsmassnahmen. Die Rügen können in diesen Verfahren vorgebracht werden. Auf das Begehren, es sei festzustellen, dass der Hausdurchsuchungsbefehl vom 28.9.2011 den gesetzlichen Anforderungen nicht genüge, ist deshalb nicht einzutreten.

Wäre diese Auffassung richtig, würde das bedeuten, dass Hausdurchsuchungen, die einen schweren Eingriff in verschiedene Grundrechte darstellen, in der Schweiz nicht einmal einer nachträglichen richterlichen Kontrolle unterliegen würden (ausser im Verfahren nach Art. 431 StPO, was keinen wirksamen Rechtsschutz gewährleisten kann). Faktisch wären Durchsuchungen somit auch ohne jeden Tatverdacht möglich.

Ein anderes Obergericht sieht dies in einem publizierten Entscheid (ZR 110/2011 Nr. 62; OGer ZH, UH110174 vom 19.08.2011) unter Hinweis auf die Begründungspflicht nach Art. 80 Abs. 2 StPO freilich anders und fasst zusammen,

dass (jedenfalls) ein schriftlicher Befehl zur Durchsuchung von Aufzeichnungen im Sinne von Art. 241 StPO stets zumindest summarisch zu begründen ist, wobei es insbesondere Ausführungen zum strafrechtlich relevanten Sachverhalt sowie zu der den hinreichenden Tatverdacht begründenden Beweislage bedarf (E. 2.4d).