Verfassungswidrige Verurteilung ist rechtens (bzw. willkürfrei)
Der Vertreter eines Baukonsortiums wurde wegen Widerhandlung des kantonalen Baugesetzes zu einer Busse von CHF 7,000.00 verurteilt, weil auf “seiner” Baustelle drei Baumaschinen ohne Partikelfilter eingesetzt wurden. Die Partikelfilterpflicht ergab sich aus der Baubewilligung, die dem Vertreter nicht bekannt war. Er sei aber von der Generalunternehmein auf die Partikelfiterpflicht aufmerksam gemacht worden.
Vor Bundesgericht (BGer 6B_442/2010 15.07.2010) beruft sich der Vertreter erfolglos auf den Grundsatz “nulla poena sine lege”. Die Abweisung der Beschwerde bereitet das Bundesgericht vor, indem es aus der Verletzung eines anerkanntermassen verfassungsrechtlich garantierten Grundsatzes (nulla poena sine lege) einfaches kantonales Gesetzesrecht macht und sich damit auf Willkürkognition beschränken kann:
Im Rahmen des kantonalen (Übertretungs-)Strafrechts gilt das Legalitätsprinzip nicht gestützt auf Art. 1 StGB, sondern fliesst direkt aus dem Verfassungs- bzw. Konventionsrecht. Zumindest als Ausfluss des Willkürverbotes (Art. 9 BV) gehört der Grundsatz “nulla poena sine lege” zum Bundes(verfassungs)recht im Sinne von Art. 95 Abs. 1 BGG (zum Ganzen das Urteil des Bundesgerichts 6B_385/2008 vom 21. Juli 2008 E. 3.1 mit Hinweisen). Zudem wird das Legalitätsprinzip in seiner allgemeinen Bedeutung von Art. 5 Abs. 1 BV mitumfasst. Es besagt, dass ein staatlicher Akt sich auf eine materiellrechtliche Grundlage stützen muss, die hinreichend bestimmt und vom staatsrechtlich hierfür zuständigen Organ erlassen worden ist (BGE 130 I 1 E. 3.1). Allein daraus kann allerdings nicht abgeleitet werden, dass das Bundesgericht das kantonale Übertretungsstrafrecht mit freier Kognition überprüfen müsste. Denn die Verletzung des einfachen kantonalen Gesetzesrechts stellt, von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen, keinen zulässigen Beschwerdegrund dar (Art. 95 BGG; Urteil 6B_385/2008 vom 21. Juli 2008 E. 3.1 mit Hinweis). Das Bundesgericht prüft daher im vorliegenden Fall die Verletzung des Grundsatzes “nulla poena sine lege” bloss auf Willkür hin (E. 2.4).
Die zweite Ohrfeige erhält der Beschwerdeführer, indem ihm das Bundesgericht die Baubewilligung, die er unbestrittenermassen nicht gekannt hat, vorhält:
§ 160 Abs. 1 BauG/AG stellt klar, dass sich strafbar macht, wer eine Baute unter Verletzung einer Bewilligung erstellt. Allerdings ergibt sich das gebotene bzw. verbotene Verhalten nicht bereits aus § 160 Abs. 1 BauG/AG, sondern erst aus der Baubewilligung. § 160 Abs. 1 BauG/AG ist – vergleichbar mit Art. 292 StGB betreffend Ungehorsam gegen amtliche Verfügungen – eine Blankettstrafnorm. Solche Bestimmungen sind indessen unter dem Gesichtspunkt des Legalitätsprinzips nicht grundsätzlich zu beanstanden. Aus der konkreten Baubewilligung ergibt sich, dass Maschinen ab einer Nennleistung von 18 KW mit einem Partikelfilter ausgerüstet sein müssen. Hieraus ist hinreichend deutlich erkennbar, dass der Einsatz von Maschinen ohne Partikelfilter als Verletzung der Baubewilligung gemäss § 160 Abs. 1 BauG/AG strafbar ist (E. 2.6).
Dass der Beschwerdeführer nicht Adressat der Baubewilligung war und diese zudem auch nicht gekannt hat, umschifft das Bundesgericht, indem es dem Beschwerdeführer vorhält, er berufe sich an sich ja gar nicht auf die Verletzung des Legaltitätsprinzips, sondern bestreite den subjektiven Tatbestand:
Was der Beschwerdeführer unter dem Titel des Legalitätsprinzips vorbringt, betrifft denn auch nicht diesen Grundsatz, sondern letztlich die Frage des Vorsatzes. Er macht geltend, er habe die ihm von der Generalunternehmung mitgeteilte Partikelfilterpflicht lediglich als eine privatrechtliche Pflicht verstanden. Mangels Kenntnis der Baubewilligung habe er entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht damit rechnen müssen, dass sich diese Pflicht aus der Baubewilligung ergebe und er im Sinne von § 160 Abs. 1 BauG/AG eine Baute unter Verletzung einer Bewilligung erstelle. Die Vorinstanz bejaht den Eventualvorsatz zu Recht. Zur Begründung kann auf die vorstehenden Erwägungen (siehe E. 2.2) verwiesen werden. Inwiefern die Feststellung der Vorinstanz, der Beschwerdeführer habe als Kadermitarbeiter einer namhaften Bauunternehmung in Kauf genommen, dass die Partikelfilterpflicht auch in der Baubewilligung statuiert sei, unhaltbar ist, legt er nicht dar und ist auch nicht ersichtlich. Der Beschwerdeführer hat somit eventualvorsätzlich unter Verletzung einer Bewilligung im Sinne von § 160 Abs. 1 BauG/AG eine Baute erstellt (E. 2.7).
Im Ergebnis heisst das wohl, dass künftig auch Nichtadressaten von Verfügungen für deren Verletzung strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können. Oder hätte sich der Beschwerdeführer einfach darauf berufen müssen, die Verfügung mit den strafbewehrten Auflagen habe sich gar nicht an ihn gerichtet? Aber was soll’s, Hauptsache die Strafjustiz hat gewaltet.
Cool, also wenn “nulla poena sine lege” bei einfaches kantonales Gesetzesrecht nun nicht mehr gilt, dann könnte man also auch die Unverjährbarkeit auf kantonales Gesetzesrecht bezogen rückwirkend machen oder?
Ich meine damals berief man sich soviel ich weiss auch auf dieses “nulla poena sine lege” als Begründung das man sie nicht rückwirkend machen könne, oder doch nicht?
Ohnehin begreife ich nicht warum man wegen “nulla poena sine lege” die Unverjährbarkeit nicht rückwirkend hätte machen können, denn die Gesetze um die es da ging, die gab es ja schon und verboten war es auch damals schon, aber egal.
Also eben, heisst das nun also auf kantonaler Ebene wäre es möglich die Unverjährbarkeit rückwirkend zu machen oder was?
Andererseits habe ich mal gehört, die Gesetzgebung betreffend sexuelle Integrität liege ausschliesslich beim Bund, stimmt das eigentlich?
Ja eben genau, Hauptsache es wurde gewerkelt, doch wenn eben das Bundesgericht werkelt, dann hat das eben mehr Konsequenzen!