Verfassungswidrige Zwangsmassnahmen gegen Strafverteidiger

Das Bundesverfassungsgericht hat die Beschwerde eines Strafverteidigers gutgeheissen, der bei den Gesprächen mit seinem Mandanten in der JVA abgehört wurde und dessen Büros durchsucht worden waren (BVerfG, 2 BvR 950/05 vom 04.07.2006).

Zur Sache:

Die Staatsanwaltschaft ermittelte nun auch gegen den Beschwerdeführer. Das Amtsgericht ordnete mit dem ersten der angegriffenen Beschlüsse das Abhören und Aufzeichnen der Gespräche zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Mandanten in der Justizvollzugsanstalt an. Der Beschwerdeführer sei der Geldwäsche verdächtig. Aus der Überwachung des Mandanten habe sich ergeben, dass der Beschwerdeführer von den Geldflüssen zwischen seinem Mandanten und den Angehörigen seiner Organisation gewusst habe und auch davon, dass es sich um nicht versteuerte Einnahmen aus Bordellbetrieben handele. Auf diese Geldflüsse habe er durch Beratungen Einfluss genommen […]. Zudem habe der Beschwerdeführer von einem anderen Gruppenmitglied erhaltenes Geld auf das Anstaltskonto des Mandanten eingezahlt. Es sei zu erwarten, dass der Beschwerdeführer mit seinem Mandanten in den zu überwachenden Gesprächen über die genaue Herkunft des Geldes sprechen werde (RN 4).Mit dem weiteren angegriffenen Beschluss ordnete das Amtsgericht die Durchsuchung der Kanzleiräume des Beschwerdeführers an, um Unterlagen über die Geldflüsse und Geschäftsbeziehungen innerhalb der von dem Mandanten beherrschten Gruppierung aufzufinden. Die Begründung ist derjenigen des vorangegangenen Beschlusses nahezu wortgleich (RN 5).

Zum Recht:

Dass die Kanzleiräume des Beschwerdeführers, die von dem Durchsuchungsbeschluss betroffen waren, durch das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung geschützt werden, bedarf keiner Erörterung (vgl. BVerfGE 44, 353 <371>). Für den Besuchsraum der Justizvollzugsanstalt, in dem Verteidigergespräche geführt werden, ist dies zweifelhaft, bedarf aber hier keiner Entscheidung, weil die Abhörmaßnahmen, die sich gegen den Beschwerdeführer richteten, dessen Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzen, sodass sich die Verfassungsbeschwerde insoweit schon aus diesem Grunde als begründet erweist (RN12).Maßnahmen, die geeignet sind, das Entstehen eines Vertrauensverhältnisses zwischen Strafverteidiger und Mandant, das unverzichtbare Grundlage einer effektiven Verteidigung ist, zu stören oder gar auszuschließen, und Kollisionen zu erzeugen, die den Strafverteidiger daran hindern können, die Interessen seines Mandanten wirksam zu vertreten, greifen in die Berufsausübungsfreiheit des Strafverteidigers ein (vgl. BVerfG, a.a.O., S. 254). Die herausgehobene Bedeutung der unkontrollierten Berufsausübung gebietet die besonders sorgfältige Beachtung der Eingriffsvoraussetzungen und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (RN 13).

Das Amtsgericht ist weder den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Richtervorbehalts aus Art. 13 Abs. 2 GG gerecht geworden noch den besonderen Sorgfaltsanforderungen, die sich aus Art. 12 Abs. 1 GG bei der Anwendung des einfachgesetzlichen Richtervorbehalts aus § 100 d Abs. 1 StPO ergeben. Erforderlich ist jedenfalls der Verdacht, dass eine Straftat begangen worden sei. Das Gewicht des Eingriffs verlangt Verdachtsgründe, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen. Ein Verstoß gegen diese Anforderungen liegt vor, wenn sich sachlich zureichende plausible Gründe für eine Durchsuchung (vgl. BVerfGE 44, 353 <371 f.>; 59, 95 <97>) oder den schwerwiegenden Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit eines Rechtsanwalts nicht mehr finden lassen (RN 14).

Der Entscheid bestätigt – soweit ersichtlich – lediglich die frühere Rechtsprechung, weshalb sich das Gericht nicht besonders vertieft mit den sich stellenden Fragen auseinanderzusetzen hatte. Ich kann daher auf weitere Zitate verzichten.