Vergewaltigung ohne explizite Gewalt oder Drohung im Kerngeschehen
Ein wegen Vergewaltigung verurteilter Beschwerdeführer hatte auch vor Bundesgericht keine Chance (BGer 6B_1444/2020 vom 10.03.2020). Ihn half nicht, dass er “während des eigentlichen Geschlechtsverkehrs” keine expliziten Gewalthandlungen oder Drohungen vornahm. Das Bundesgericht stellt auf das Gesamtgeschehen ab:
Der Beschwerdeführer hat sich zu Beginn des Geschehens sowohl körperlicher Gewalt als auch einer Drohung bedient, um einen Zungenkuss zu erzwingen. Er hat seine körperliche Überlegenheit ausgenutzt, um zu seinem Ziel zu gelangen. Seine Überlegenheit bestand zudem darin, dass sich das Geschehen in seiner Wohnung abspielte, er die Wohnungstür abschloss und den Schlüssel abzog. Er hat die Beschwerdegegnerin 2 damit in eine für sie ausweglose Situation gebracht und sie in dieser Situation zu sexuellen Handlungen genötigt. Dass während des eigentlichen Geschlechtsverkehrs keine weiteren expliziten Gewalthandlungen oder Drohungen erfolgten, hat keinen Freispruch in Bezug auf den Vergewaltigungsvorwurf zur Folge. Vielmehr ist mit der Vorinstanz davon auszugehen, dass die Auswegslosigkeit der Situation für die Beschwerdegegnerin 2 während des gesamten Geschehens weiter bestand. Der Beschwerdeführer hat mittels seiner initialen Gewaltanwendung, der Drohung, dem Abschliessen der Wohnung und seiner körperlichen Überlegenheit einen erheblichen psychischen Druck auf die Beschwerdegegnerin 2 erzeugt. Er hat durch sein Handeln auch in Bezug auf den danach folgenden Geschlechtsakt eine Zwangslage bewirkt, welche die von der Rechtsprechung geforderte Intensität erreicht. Die Beschwerdegegnerin 2 hat dem Beschwerdeführer gegenüber ausreichend deutlich gemacht, dass sie die sexuellen Handlungen nicht wollte. Eine weitergehende Gegenwehr war der Beschwerdegegnerin 2 unter der vom Beschwerdeführer errichteten Zwangslage nicht zuzumuten. Die durch den Beschwerdeführer geforderte Aufteilung des angeklagten Sachverhalts in 27 Handlungsabschnitte geht an der Realität vorbei und ist mit der Vorinstanz abzulehnen. Vielmehr liegt ein einziges Geschehen vor, das seinen Anfang im Abschliessen der Wohnung und dem anschliessenden Erzwingen einer sexuellen Handlung durch die Anwendung körperlicher Gewalt und das Bedrohen der Beschwerdegegnerin 2 nahm. Dieses Vorgehen des Beschwerdeführers versetzte die Beschwerdegegnerin 2 in eine für sie auswegslose Zwangslage, in der sie dem Beschwerdeführer ausgeliefert war. Bei einem so untrennbar zusammenhängenden Handlungsablauf einen in emotionaler Hinsicht relevanten Unterbruch der Bedrohungslage zu konstruieren, wäre unhaltbar. Nach der Rechtsprechung liegt auch dann eine Vergewaltigung vor, wenn das Opfer wie vorliegend unter dem Druck des ausgeübten Zwangs nach anfänglicher Abwehr auf Widerstand verzichtet. Daran ändern auch die aktiven Handlungen der Beschwerdegegnerin 2 nichts, die einzig darauf gerichtet waren, die Zwangslage schnellstmöglich und mit geringstmöglichen Schadensfolgen auf ihrer Seite zu beenden. Der Schuldspruch wegen Vergewaltigung verletzt kein Bundesrecht (E. 2.5).
Der Spruchkörper bestand übrigens aus drei Bundesrichterinnen und auch geschrieben hat eine Frau. Und die Parteien waren je durch Frauen vertreten.
Warum lieber Koni soll die Tatsache, dass der Spruchkörper aus drei Frauen bestand erwähenswert sein?
@Beni: weil ich es bei einem Sexualdelikt noch bisher noch nicht ein einziges Mal gesehen habe. egal auf welcher Stufe.
Obwohl es noch immer nicht genug Frauen in Lausanne und Luzern gibt, ist es doch sehr interessant zu sehen, dass die Richterinnen in einigen Abteilungen gar (teils deutlich) in der Mehrheit sind:
In der I. Zivilabteilung haben 4 Frauen und 1 Mann einsitz und in der II. Zivilabteilung richten dagegen 5 Männer und 1 Frau (jedenfalls im Geschäftsjahr 2020).
In der Strafrechtlichen Abteilung sassen 3 Frauen und 2 Männer (seit 2021 mit Herrn Hurni als 6. Mitglied ist das Verhältnis nun ausgeglichen).
In den sozialrechtlichen Abteilungen sind je die Männer in der Mehrzahl, ebenso in den öffentlich-rechtlichen Abteilungen.
Spannend wären empirische Untersuchungen, ob sich bei “weiblicheren” Abteilungen bzw. Zusammensetzungen etwas an den Urteilen ändert (z.B. häufigere oder weniger häufigere Gutheissungen usw.). Inhaltlich bzw. qualitativ wird man dies aber kaum messen können. Hier gilt wohl die “bewährte” Formel weiterhin: Je überlasteter die Abteilung, desto tiefer die Urteilsqualität. Das lässt sich an der seit Jahren überlasteten Strafrechtsabteilung leider gut ablesen…
„Vergewaltigung ohne explizite Gewalt oder Drohung im Kerngeschehen“ Was heisst das?
Ist der Gewaltakt / Nötigung durch das Einsperren und den Schlüssel abziehen somit der vorliegende konkrete Umstand insbesondere während dem Kerngeschehen übersehen worden ?
Hatte der Beschuldigte während dem Kernakt schnell die Türen geöffnet und den behändigten Schlüssel während dem Kerngeschehen seinem Opfer gegeben ?
Ist kj der Meinung das Opfer hätte insbesondere während dem Kerngeschehen den Raum völlig ungehindert verlassen können (ohne Schlüssel während dem Kerngeschehen)?
es ist doch offensichtlich dass gerade während dem Ketngeschehen die Situation analogium einer Geiselnahme/Erpresdung/Nötigung effektiv gegeben ist –
hat die „altertümliche“ typische und klassische MännerLüge – die seien berechtigt, Frauen weg/einzusperren und später „behaupten“ während dem Kerngeschehen habe das Einsperren gar nicht stattgefunden / das BGE hat nämlich nicht nur auf die anfänglichen Umstände vir Ort verwiesen- es hat sinngemäss gesagt dass diese seit Beginn der Tat gemachten Umstände des Einsperrens insbesondere WÄHREND der Kerntat aufrecht gehalten wurden/
jk ist wohl nicht der einzige der meint das Einsperren habe während der Ketntat gar nicht stattgefunden beziehungsweise wäre nicht relevant weil Mönner selbstverständlich Frauen wegsperren / einsperren dürften …
Sind diese Allüren Reststücke der CH Anti Frauen Kultur mit Hinweis auf das dpäte Stimmrecht für Frauen in der CH das in die Weltgeschichte einging und die CH in vielen Belangen noch heute international als ein Land mit viel Frauen Diskriminierung dargestellt wird (ausgenomnrn ist die zu weibliche allgem. Politikerinnen Landschaft inklusive Richterinnrn die alle wie wir wissen gleichzeitig auch politikerinnen sind – analogium männlicher Richter)
Fazit : endlich ein Bger Urteil das auf die effektiven Tatsachen vor Ort WÄHREND dem Kerngeschehen befunden hat. und ein kj der die effektiven vor Ort WÄHREND dem Kerngeschehen vorliegenden Umstände aus allzu sehr männlich gefärbter Logik völlig ungenau beschrieben hat.
Na sieh einer an, Strafprozess.ch sollte eigentlich sachlichen Diskussionen Platz bieten und nicht für einen Kreuzzug gegen die “dummen Männer” herhalten! Genau solche Beiträge wie der Ihrige sind doch der Grund, dass ein Urteil gegen einen Mann, gefällt und geschrieben ausschliesslich von Frauen, einen faden Beigeschmack hat! Bald sind wir so weit wie in Skandinavien, wo man vor dem Geschlechtsakt ein Formular unterschreiben muss, um ganz sicher keine Straftat zu begehen! Was bitteschön hat es denn mit der Realität zu tun, wegen einer abgeschlossenen Tür und eines erzwungenen Zungenkusses beim Akt mitzumachen nur “um es schnell zu beenden”?
Es ist m. E. überfällig, dass allgemein bei der Zusammensetzung der Richter/-innengremien mehr Diversität berücksichtigt würde. Dies nicht nur als ‘Zeichen der Zeit’ und nicht nur beim Bundesgericht.
Danke Herr Kollege für den Link.
Was noch interessant währe ist noch zu wissen welche Nationalitäten das Opfer und der Täter haben. Man könnte so einmal Untersuchungen machen in der Urteilsdatenbank ob die Nationalität einen Einfluss haben.
Mir scheint es so als ob die Richter bei Glaubwürdigkeitsprozessen regelmäßig Schweizerische -wohl Mundart-Aussagen- glaubwürdiger einschätzen als “fremdländischen” Einschlag.
Ich vertrat in den letzten Dekaden mehreren Prozessen Männer welche gekündigt wurde wegen Vergewaltigungsworwürfen in der Schweiz. Sie waren dorthin entsendet. Und zweimal Frauen welche von Litauen in die Schweiz entsendet wurde und angaben entweder vergwaltigt worden zu sein oder aber schwer beläsigt. Also Aussage-Aussage-Konstellationen. Die Männer wurden stets verurteilt, den Frauen aber in BS oder Aargau kein Glauben geschenkt. Täter sollen Schweizer gewesen sein, in der anderen Konstellationen sollen die Täter Litauer gewesen sein.
Unglaublich ! War wenigstens die Täterin keine Frau ?
@alle: hätte ich den Entscheid kritisieren wollen, hätte ich ihn kritisiert. Zu meiner Anmerkung bzgl. Spruchkörper: ich hatte vor ein paar Wochen einen Fall in der umgekehrten Konstellation. Deshalb war ich etwas sensibilisiert.
Ihre Anmerkung legt den Schluss nahe, dass das Urteil bei anderer Zusammensetzung des Gerichts oder der Verteidigung anders hätte ausfallen können. Falls Sie den Entscheid inhaltlich tatsächlich nicht kritisieren wollten, war diese Anmerkung sehr missverständlich formuliert.
Eine Diskussion über die Zusammensetzung des Spruchkörpers wäre dabei spannend. Für mich würde dabei aber eher die politische Ausrichtung im Vordergrund stehen und nicht das Geschlecht.
@Thomas Lieven: Ja, das wäre eine spannende Diskussion. Für mich zählt aber nur, wie der Spruchkörper gebildet wird. Was rauskommt ist hinzunehmen.
@kj: dennoch warf die Bemerkung vollkommen überflüssig! Und entsprechend aussagekräftig… qui s’excuse, s’accuse.
@pk: darf ich fragen, was Sie zu solchen Kommentaren antreibt (und legitimiert)?
qui s’excuse, s’accuse. = Befangen? maybe causidicum