Verjährung als Auslieferungshindernis

Das Bundesgericht heisst eine Beschwerde gegen die Auslieferung eines in Rumänien verurteilten Straftäters gestützt auf Art. 10 Ziff. 1 EAUe ab (BGer 1C_680/2020 vom 26.01.2021, Fünferbesetzung).

Gemäss Art. 162 des rumänischen Strafgesetzbuches tritt die Vollstreckungsverjährung in einem Fall wie hier nach 5 Jahren ein, zuzüglich der verhängten Freiheitsstrafe (Abs. 1 lit. b). Die Verjährung beginnt mit der Rechtskraft des Strafurteils zu laufen (Abs. 2).  Am 8. Dezember 2020 gab das Bundesgericht dem Bundesamt Gelegenheit zur Vernehmlassung. Am 10. Dezember 2020 bat das Bundesamt die rumänischen Behörden dringend um eine Stellungnahme zur Frage der Verjährung. Am Tag darauf antwortete das Amtsgericht (Judecatoria) Timisoara. Danach begann hier die Verjährung für die Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten am Tag der Rechtskraft des Urteils des Amtsgerichts vom 18. September 2014, d.h. am 14. Oktober 2014, zu laufen. Das Amtsgericht führt aus, die Vollstreckungsverjährung trete nach 8 Jahren und 6 Monaten ein. Die Strafvollstreckung sei daher noch nicht verjährt. Dem wäre zu folgen, wenn das Bundesamt die Auslieferung zur Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten bewilligt hätte. Das hat es jedoch nicht getan. Es hat die Auslieferung wegen Pornografie abgelehnt. Ausgeliefert werden soll somit einzig zur Vollstreckung der Strafe wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand. Diese Strafe hat das Amtsgericht, wie sich seinen Urteilen klar entnehmen lässt, auf 1 Jahr und 2 Monate festgesetzt. Der Beschwerdeführer ist daher auslieferungsrechtlich so zu stellen, wie wenn die rumänischen Behörden um die Auslieferung einzig zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 2 Monaten ersucht hätten. Die Vollstreckungsverjährung beträgt damit nach den zutreffenden Darlegungen des Beschwerdeführers 6 Jahre und 2 Monate. Allerdings begann diese nicht bereits mit dem Urteil des Amtsgerichts vom 18. September 2014 zu laufen, sondern erst mit dessen Rechtskraft am 14. Oktober 2014. Die Vollstreckungsverjährung ist daher nicht am 17. November 2020 eingetreten, sondern am 13. Dezember 2020 oder am Tag darauf, je nachdem, ob gemäss rumänischem Recht entsprechend dem schweizerischen die Verjährung erst am Tag nach Eintritt der Vollstreckbarkeit zu laufen beginnt (vgl. BGE 107 Ib 74 E. 3a S. 75; 97 IV 238 E. 2 S. 239). Am Ergebnis ändert das nichts. Ist die Vollstreckungsverjährung nach rumänischem Recht eingetreten, ist die Auslieferung gemäss Art. 10 Ziff. 1 EAUe abzulehnen (E. 2.3).