Verkanntes Strafprozessrecht
Es gibt noch immer Richter, die sich nicht dafür interessieren, wie sich ein Tatverdacht ergeben hat. Bekannt dafür sind auch – aber nicht nur – die Kollegen im Kanton Aargau. Das Bundesgericht kritisiert sie nun aber in zwei Entscheiden besonders hart (BGer 6B_40/2018 und BGer 6B_417/2018, beide vom 18.04.2019).
Vielleicht etwas überspitzt ausgedrückt wirft das Bundesgericht dem Obergericht AG vor, wesentliche Teile des Strafprozessrechts nicht verstanden zu haben:
Die Vorinstanz verkennt das Konzept der Katalogtat, der Zufallsfunde und der Fernwirkung von Beweisverboten. Ob die Feststellungen auf Erkenntnissen beruhen, welche anhand (un) rechtmässig angeordneter Observationen und/oder anhand eines (un) rechtmässig angeordneten Einsatzes von Überwachungsgeräten gewonnen worden sind (oben E. 2.2), ist entgegen der Vorinstanz von Belang. Auch lässt sich nicht offen lassen, ob die Verhaftung rechtmässig erfolgt war, wurde der USB-Stick gerade infolge des allem Anschein nach durch geheime Überwachungen ermöglichten Zugriffs auf die Person des Y. sichergestellt. Sodann ist nicht nachvollziehbar, wie die Vorinstanz die Überwachungsmassnahmen gestützt auf das SpoFöG als verwertbar erachten will, ungeachtet der Tatsache, dass der Beschwerdeführer wegen Widerhandlung gegen das HMG angeklagt und verurteilt wird. Nicht einsichtig wird weiter, inwiefern sich durch die blosse Tatsache der Verfahrenstrennung die Rechtmässigkeit der Überwachungsmassnahmen und die Verwertbarkeit der Erkenntnisse sowie die Frage der Sekundärbeweise im Sinne einer Fernwirkung nicht mehr stellen sollten. Es lässt sich kaum bestreiten, dass die geheimen Überwachungsmassnahmen die Grundlage des gesamten Strafverfahrens bildeten. Indem die Vorinstanz dies alles letztlich durchgehend als nicht von Belang erklärt und die unabweisbaren Rechtsfragen offen lässt, verletzt sie Bundesrecht (E. 2.7, Hervorhebungen durch mich).
So – und vielleicht nur so – war es übrigens möglich, Thomas N. aus Rupperswil zu verurteilen.
Ihr letzter Nachsatz ist nicht so ganz klar, geschätzter Herr Jeker.
Wollen Sie uns damit sagen, bei strikter Anwendung dieser beiden Entscheide der für ihre konsequent weltfremde Täterfreundlichkeit legendären Strafabteilung des Bundesgerichtes wäre die flächendeckende Handy-Auswertung im Fall Rupperswil nicht rechtskonform gewesen ? Oder was ?
Nein. Ich will damit sagen, dass sich in den Urteilen im Fall Rupperswil nicht ein einziger Satz zur Frage findet, wie man dem Beschuldigten auf die Spur kam. Confessio regina probationum.
Also: Nach meinem – allerdings bescheidenen – Wissensstand liegt in diesem Fall noch kein Urteil des Bundesgerichtes vor. Hängig ist dort ein Begehren des Beschuldigten auf eine vollzugsbegleitende ambulante Massnahme. Aber wenn Sie als Insider mehr wissen, dann lassen Sie mich doch bitte an Ihrem Insiderwissen teilhaben. Danke.
@Jürg Fehr: Es geht mir einzig und allein um die Tat- und Schuldfragen und dazu habe ich leider bereits alles gesagt, was man dem Urteil zu Rupperswil entnehmen kann. Mich hätte interessiert, wie man den Beschuldigten überführt hat, aber eben: im Urteil kein Wort. Ich hielt es von Anfang an für nicht ganz undenkbar, dass die Polizei Methoden eingesetzt hat, die widerrechtlich waren. Aber eben: wir werden es nie erfahren.
Der Beitrag von Herrn Fehr lässt vermuten, dass man beim Bundesgericht schon ganz richtig lag.
Die wahren Kriminellen sitzen im Aargau womöglich garnicht auf der Anklagebank.