Vermeidbarer Verbotsirrtum

Das Bundesgericht bestätigt die Verurteilung eines Beschwerdeführers, der eine Frau, die unbefugt in seine Scheune eingedrungen war, bis zum Eintreffen der Polizei festhielt (BGer 6B_14/2011 vom 12.07.2011). Umstritten war, ob die tatbestandsmässige Nötigung rechtswidrig war. Der Beschwerdeführer berief sich zu Unrecht auf den sachenrechtlichen Besitzesschutz (Art. 926 ZGB) und die strafprozessuale Selbsthilfe (§ 55 Abs. 1 Ziff. 1 StPO/ZH).

Das Bundesgericht zum Besitzesschutz:

Nach den verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz (Art. 105 Abs. 1 BGG) störte zwar die Geschädigte den Besitz des Beschwerdeführers durch ihren unerlaubten Aufenthalt in der Scheune, wobei aber keine weitere Gefahr von ihr ausging. Gestützt auf diese Feststellung folgert die Vorinstanz zu Recht, dass das Festhalten der Geschädigten zur Beseitigung ihres unbefugten Aufenthalts in der Scheune weder geeignet noch erforderlich war. Der Beschwerdeführer verhielt sich unverhältnismässig. Er kann sich folglich nicht auf den Rechtfertigungsgrund von Art. 926 ZGB i.V.m. Art. 14 StGB berufen (E. 1.4).

Das Bundesgericht zur Selbsthilfe:

Gemäss verbindlicher Feststellung der Vorinstanz (Art. 105 Abs. 1 BGG) hielt der Beschwerdeführer die Geschädigte zur Beweissicherung fest. Aufgrund seiner Kenntnisse um die Personalien der Geschädigten sowie der Anwesenheit von zwei Zeugen war das Festhalten zur Erreichung dieses Zwecks weder erforderlich noch stand es in einem vernünftigen Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit der Geschädigten (Art. 10 Abs. 2 BV i.V.m. Art. 36 Abs. 3 BV). Die Vorinstanz verneint zu Recht den Rechtfertigungsgrund von § 55 StPO/ZH i.V.m. Art. 14 StGB (E. 1.5).

Auch auf Verbotsirrtum konnte sich der Beschwerdeführer auch nicht berufen, denn der Irrtum war gemäss Bundesgericht vermeidbar:

Indem der Beschwerdeführer vorbringt, die Grenzen der Rechtfertigungsgründe verkannt zu haben, beruft er sich darauf, einem sog. “indirekten” Verbotsirrtum unterlegen zu sein. Für die Beurteilung gelten die gleichen Regeln wie beim “direkten” Verbotsirrtum (vgl. KURT SEELMANN, Strafrecht Allgemeiner Teil, 4. Aufl. 2008, S. 83; GUIDO JENNY, in: Basler Kommentar, Strafrecht I, 2. Aufl. 2007, N. 8 zu Art. 21 StGB; GÜNTER STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, AT 1, 3. Aufl. 2005, § 11 N. 49; Urteil 6B_430/2007 vom 17. März 2007 E. 5.5). Die Vorinstanz bringt in ihren Erwägungen zum Ausdruck, der Irrtum des Beschwerdeführers sei vermeidbar gewesen. Dies ist nicht zu beanstanden. Die Regelung des Verbotsirrtums beruht auf dem Gedanken, dass sich der Rechtsunterworfene um die Kenntnis der Gesetze zu bemühen hat und deren Unkenntnis nur in besonderen Fällen vor Strafe schützt (BGE 129 IV 238 E. 3.1 S. 241 mit Hinweisen). In diesem Sinn gilt ein Verbotsirrtum nach der Rechtsprechung in der Regel unter anderem als vermeidbar, wenn der Täter selbst an der Rechtmässigkeit seines Handelns zweifelte oder hätte Zweifel haben müssen oder wenn er weiss, dass eine rechtliche Regelung besteht, er sich über deren Inhalt und Reichweite aber nicht genügend informiert (BGE 129 IV 6 E. 4.1 S. 18; 120 IV 208 E. 5b S. 215; je mit Hinweisen) (E. 2.4).

Der Kunstgriff des Bundesgericht besteht hier im hervorgehobenen Satz, womit die Rechtsfrage auf die Ebene des Sachverhalts verlegt wurde. Mich überzeugt das Urteil nicht. Ich wäre spontan auch davon ausgegangen, die Störerin festhalten zu dürfen. Ich müsste mir nun auch vorwerfen lassen, an meiner Auffassung nicht gezweifelt zu haben und mich nicht genügend informiert zu haben.