Vermeidbarer Verbotsirrtum?

Wer ohne Bewilligung nach Art. 271 Ziff. 1 StGB geschützte Daten (109 Kundendossiers auf USB-Stick) in die USA liefert, um sich dort nach Selbstanzeige vor Strafverfolgung zu schützen, lebt hier gefährlich.

Zwar wurde der VR-Präsident einer Vermögensverwaltungsgesellschaft erstinstanzlich noch freigesprochen (BStGer SK.2017.64 vom 09.05.2018). Das Bundesgericht hat diesen Freispruch nun aber kassiert (BGer 6B_804/2018 vom 04.12.2018). Die Vorinstanz wird nochmals zu prüfen haben, ob sich der VR-Präsident auf Verbotsirrtum berufen kann (Art. 21 StGB):


Bei den eingeholten Gutachten handelt es sich nicht um verbindliche Rechtsauskünfte einer zuständigen staatlichen Behörde, sondern um den Rechtsrat zweier Anwälte, eines Rechtsprofessors sowie einer Juristin. Die Gutachten boten keine ausreichende Grundlage für einen unvermeidbaren Irrtum, da sie unvollständig und im Hinblick auf die Grenzen des strafbaren Verhaltens nicht verlässlich waren. Gemäss den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz zeigten sich die Erstgutachter der Anwaltskanzlei B. zwar verhalten optimistisch. Sie vermochten aber einen Verstoss gegen Art. 271 StGB nicht auszuschliessen (“this is a grey area and arguments for the applicability of art. 271 to the Scenario cannot be excluded so that a residual risk of violating art. 271 remains”). Der Beschwerdegegner musste sich angesichts der unmissverständlichen Formulierung des rechtlichen Graubereichs, in welchem er sich bewegte, bewusst sein. Daran ändert nichts, dass er den erwähnten Satz als typische Anwaltssprache mit Haftungsausschluss interpretierte. Ohnehin räumte der Beschwerdegegner selbst ein, dass ihm das Erstgutachten nicht völlig unabhängig erschien, da die betreffende Anwaltskanzlei mit der Lösung des Steuerproblems betraut gewesen sei. Dass in der Folge ein weiteres Gutachten in Auftrag gegeben wurde, legt laut Vorinstanz nahe, dass der Beschwerdegegner in Bezug auf die Herausgabe der Kundendaten an das DoJ immer noch mit der Möglichkeit rechnete, Unrecht zu tun. 
Auch das Zweitgutachten von Prof. Dr. C. und lic. iur. D. kam zum Ergebnis, dass die geplante Datenlieferung an die US-Behörden ohne eine entsprechende Bewilligung des Bundesrates den Tatbestand von Art. 271 StGB erfüllen könnte. Zum Gutachten hält die Vorinstanz ausserdem fest, dass dieses insoweit nicht den Regeln der Kunst entspreche, als der Sachverhalt, von welchem das Gutachten ausgehe, nicht klar umschrieben sei bzw. teilweise von Szenarien ausgehe, die nicht der tatsächlichen Konstellation entsprochen hätten. Das Gutachten nehme etwa eine zeitliche Dringlichkeit im Zusammenhang mit einer existenzbedrohlichen Situation an, wogegen tatsächlich (auch nach dem damaligen Wissensstand des Beschwerdegegners) keinerlei Sanktionen oder anderweitige Nachteile seitens der US-Behörden unmittelbar in Aussicht gestanden hätten. Die Begründung, wonach die Datenlieferung “auf jeden Fall” durch den Rechtfertigungsgrund des Notstandes (Art. 17 StGB) sowie den aussergesetzlichen Rechtfertigungsgrund der Wahrung berechtigter Interessen respektive zumindest durch den Schuldausschlussgrund von Art. 18 Abs. 2 StGB gedeckt sei, erscheine laut Vorinstanz angesichts der fehlenden Lehre und Rechtsprechung zumindest gewagt. Unter diesen Umständen durfte der Beschwerdegegner, selbst ausgebildeter Jurist, nicht vorschnell auf den für ihn günstigen Standpunkt vertrauen. Die beiden nicht eindeutigen Rechtsauskünfte hätten einen gewissenhaften Menschen – auch angesichts der auf dem Spiel stehenden Interessen – zur Vorsicht gemahnt und zu weiteren behördlichen Abklärungen veranlasst. Das mutmassliche Renommee der beigezogenen Experten vermag daran nichts zu ändern. Der Beschwerdegegner konnte trotz der Auskünfte letztlich nur darauf hoffen, dass sein Tun nicht strafbar sein werde. Der Verbotsirrtum war deshalb vermeidbar. Die Vorinstanz verletzt Bundesrecht, wenn sie das Wissen über die Verbotenheit des normierten Verhaltens als subjektives Tatbestandsmerkmal qualifiziert, soweit erkennbar im Sinne einer Eventualbegründung von einem unvermeidbaren Verbotsirrtum ausgeht und in der Folge die Erfüllung des subjektiven Tatbestands von Art. 271 Ziff. 1 StGB verneint (E. 3., Hervorhebungen durch mich). hinaus

Der Entscheid enthält m.E. etwas allzu viel Sachverhalt. Ob das an der fehlenden Berufungsinstanz liegt?