Verschaffen auch ohne Tatherrschaft möglich
In einem Grundsatzentscheid zum revidierten Betäubungsmittelgesetz klärt das Bundesgericht die Frage, ob oder wie das Vermitteln von Drogen weiterhin strafbar sei, obwohl der Begriff nicht mehr im Gesetz steht (BGE 6B_1226/2015 vom 05.08.2016, Publikation in der AS vorgesehen).
Das Bundesgericht subsumiert das Vermitteln aber unter die Formulierung „auf andere Weise einem andern verschafft“. Das könne auch derjenige, der selbst nie Tatherrschaft inne hatte:
Angesichts des klaren gesetzgeberischen Willens, das Betäubungsmittelgesetz mit der Teilrevision vom 20. März 2008 inhaltlich prinzipiell nicht zu ändern, kann die vom Gesetzgeber gewählte, relativ offene Formulierung „auf andere Weise einem andern verschafft“ nicht dahin gehend ausgelegt werden, dass nur derjenige verschaffen kann, der die Tatherrschaft über die Betäubungsmittel inne hat. Vielmehr ist davon auszugehen, dass diese Tatbestandsvariante grundsätzlich die Vermittlertätigkeit im Sinne der bisherigen Rechtsprechung beinhaltet. Damit erklärt sich auch, weshalb das Vermitteln bei der Finanzierung gemäss nArt. 19 Abs. 1 lit. e BetmG belassen und beim Betäubungsmittelhandel gestrichen wurde (GERHARD FIOLKA, Die revidierten Strafbestimmungen des BetmG – Vier Säulen und einige Überraschungen, AJP 2011, S. 1275). Ob gewisse bzw. welche vermittelnden Handlungsweisen im Einzelnen nicht mehr darunter fallen, kann hier offen bleiben. Durch die dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Tätigkeiten kamen (weitere) Heroinlieferungen von Z. an Y. zustande. Bei Schwierigkeiten zwischen den beiden schaltete sich der Beschwerdeführer immer wieder ein und begleitete den Lieferanten sogar zu Treffen. Mit diesen Handlungen hat er Y. Heroin verschafft. Folglich verletzt die Vorinstanz kein Bundesrecht, wenn sie zum Schluss gelangt, vorliegend sei das neue Recht nicht das mildere (E. 3.4).
Wahrscheinlich wird das Bundesgericht bei nächster Gelegenheit das (bei der Revision ebenfalls gestrichene) „Verarbeiten“ (Strecken, Tablettieren, Ausziehen) unter das „Erzeugen“ von Betäubungsmitteln subsumieren, obwohl die Betäubungsmittel ja schon vorher bestanden haben. Auf den Duden wird sich das Bundesgericht dabei jedoch wohl kaum berufen können, aber beim Methodenpluralismus richtet sich die „richtige“ Auslegung bekanntlich nach der (bereits zuvor erkannten) „richtigen“ Lösung. Wenn die Gerichte dem Gesetzgeber nicht die Verantwortung für sorgfältige Gesetzesredaktion zuweisen, dann wird das Parlament dies noch so gerne aufnehmen und nicht gross über „Details“ beraten, sondern dies den Gerichten überlassen.
Diese Gesetzesauslegung ist äusserst fragwürdig. Zunächst subsumierte das Bundesgericht das Vermitteln unter Veräussern und jetzt unter Verschaffen. Dabei stützt es sich insbesondere auf den Duden ab, lässt aber völllig unerwähnt und unberücksichtigt, dass das Vermitteln im BetmG von 1924 gar nicht enthalten war, sondern erst im Gesetz von 1951 eingefügt und nun mit der Revision von 2008 wieder aus dem Gesetz entfernt wurde. Im Übrigen widerspricht dieser Entscheid der herrschenden Lehre.