Verschlepptes Haftentlassungsgesuch durch vorbefassten Richter

Das Bundesgericht stellt in BGer 1B_347/2010 vom 10.11.2010 eine Verletzung des Beschleunigungsgebots fest (Art. 31 Abs. 4 BV, Art. 5 Ziff. 4 EMRK). Es hatte folgenden Sachverhalt zu beurteilen:

Das Haftentlassungsgesuch des Beschwerdeführers vom 24. August 2010 ging am 25. August 2010 beim Bezirksgericht Winterthur ein. Tags darauf setzte der Bezirksgerichtspräsident der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland eine Frist von 10 Tagen an, um zum Gesuch Stellung zu nehmen. Die Präsidialverfügung wurde gemäss Ausgangsstempel gleichentags – am Donnerstag, dem 26. August 2010 – versandt und ging am 30. August 2010 (gemäss Eingangsstempel) oder am 31. August 2010 (gemäss Unterschrift auf dem Empfangsschein) bei der Staatsanwaltschaft ein. Mit Eingabe vom 9. September 2010 (Donnerstag), welche am 13. September 2010 (Montag) beim Bezirksgericht einging, gab die Staatsanwaltschaft eine kurze Stellungnahme von 15 Zeilen zum Entlassungsgesuch ab, worauf der Bezirksgerichtspräsident das Gesuch am Mittwoch, dem 29. September 2010 ohne Weiterungen abwies. Die Staatsanwaltschaft sowie der Beschwerdeführer und sein Verteidiger erhielten die Verfügung am 4. Oktober 2010 zugestellt (E. 3.2, Hervorhebungen durch mich).

Abgesehen von der als offensichtlich erscheinenden Verletzung des Beschleunigungsgebots wirft auch die Tatsache, dass der Zeitpunkt der Zustellung von behördeninterner Post kaum je zuverlässig beurteilt werden kann, ein schiefes Licht auf den Sachverhalt.

Der Bezirksgerichtspräsident war mit dem Fall vertraut, und es wurden im Haftentlassungsverfahren von keiner Seite neue oder überraschende Aspekte ins Verfahren eingebracht, die zeitraubender Abklärungen bedurft hätten. Dass er sich nach Eingang der staatsanwaltschaftlichen Stellungnahme noch über zwei Wochen Zeit liess mit der Behandlung des Gesuchs, ist mit dem verfassungs- und konventionsrechtlichen Beschleunigungsgebot nicht zu vereinbaren. Dies umso weniger, als das Verfahren auch administrativ wenig beförderlich vorangetrieben wurde, dauerte doch jede Zustellung mehrere Tage, ohne dass dafür nachvollziehbare Gründe ersichtlich wären (E. 3.3).

Der Gerichtspräsident war mit dem Fall übrigens deshalb vertraut, weil er an der Verurteilung des Beschwerdeführers mitgewirkt hatte. Auf die entsprechende Rüge trat das Bundesgericht nicht ein, weil sie zu spät vorgetragen worden war:

Aufgrund dieser klaren gesetzlichen Zuständigkeitsregelung musste der Beschwerdeführer (bzw. sein Verteidiger) von vornherein davon ausgehen, dass das vor der Überstellung der Akten vom Bezirks- ans Obergericht gestellte Haftentlassungsgesuch vom Bezirksgerichtspräsidenten behandelt werden würde. Unter diesen Umständen wäre er aber verpflichtet gewesen, dessen Ausstand unverzüglich, d.h. bereits bei der Einreichung des Haftentlassungsgesuchs, zu verlangen (E. 2).

Man muss immer damit rechnen, dass Richter nicht von sich aus erkennen, dass sie wegen Vorbefassung nicht mehr entscheiden dürften.