Verspäteter “Antrag” auf Siegelung?

Nach Art. 248 Abs. 1 StPO sind Aufzeichnungen zu siegeln, wenn sie nach Angaben des Inhabers nicht durchsucht oder beschlagnahmt werden dürfen. Wann die Siegelung spätestens zu verlangen ist, sagt das Gesetz nicht.

Die Rechtsprechung in diesem Zusammenhang entgegen dem Wortlaut des Gesetzes von einem “Antrag” des Inhaber, der ja dann auch abgewiesen werden kann, was in der Praxis auch regelmässig geschieht. Über den “Antrag” entscheidet nicht etwa ein Richter, sondern die Verfahrensleitung selbst. Das wäre insofern allenfalls noch zu verantworten, wenn wenigstens eine Beschwerde mit aufschiebender Wirkung möglich wäre. Im Rechtshilfeverfahren ist das aber gemäss Bundesstrafgericht nicht der Fall (BStGer RR.2015.70 vom 20.04.2015). Es stellt fest, dass

der Entscheid, mit welchem die ausführende Behörde im Rechtshilfeverfahren den Antrag auf Siegelung ablehnt, ebenfalls eine Zwischenverfügung im Sinne von Art. 80e Abs. 2 IRSG darstellt;

und dass

eine solche Zwischenverfügung analog der Rechtsprechung im Zusammenhang mit Entsiegelungsentscheiden (s.o.) grundsätzlich ebenfalls eine nicht selbständig anfechtbare Zwischenverfügung im Rechtshilfeverfahren darstellt, welche zusammen mit der Schlussverfügung angefochten werden kann;

Dass damit das Siegelungsrecht ins Belieben der Verfahrensleitung gestellt wird, übersieht das Bundesstrafgericht zwar nicht, zumal es darauf hinweist, dass

die eingeschränkte Anfechtbarkeit von Zwischenverfügung im Rechtshilfeverfahren, welche dem Gebot der raschen Erledigung des Rechtshilfeersuchens gemäss Art. 17a IRSG und der Prozessökonomie Rechnung trägt, von der ausführenden Behörde nicht als Einladung missverstanden werden darf, in Umgehung des Entsiegelungsverfahrens die Verfahrensrechte des Betroffenen systematisch zu verletzen (Entscheid des Bundesstrafgerichts RR.2014.280 vom 15. Januar 2015, E. 2.5, bestätigt mit Urteil des Bundesgerichts 1C_65/2015 vom 7. April 2015; im Zusammenhang mit der Heilung des rechtlichen Gehörs der Betroffenen s. BGE 124 II 132 E. 2d S. 139; Urteile des Bundesgerichts 1C_127/2012 vom 29. Februar 2012, E. 2.2; 1C_560/2011 vom 20. Dezember 2011, E. 2.2; Robert Zimmermann, La coopération judiciaire internationale en matière pénale, 4. Aufl., Bern 2014, S. 478); allein aufgrund des vorliegenden Falles nicht angenommen werden kann, dass die Beschwerdegegnerin dies tun soll, weshalb weitergehende Ausführungen in diesem Zusammenhang konkret unterbleiben können;

Wie die Beschwerdekammer dann aber beurteilen will, ob die Verfahrensleitung nicht doch die Verfahrensrechte der Betroffenen verletzt, bleibt mir ein unlösbares Rätsel. Sein Grund liegt in der falsch gestellten Weiche, die Siegelung als blossen Antrag zu behandeln.