Verspäteter Würdigungsvorbehalt / formalistischer Leerlauf?
Ein wegen übler Nachrede angeklagter und dann wegen Beschimpfung verurteilter Beschwerdeführer beklagte sich vor Bundesgericht über eine Verletzung seines Gehörsanspruchs, weil der Würdigungsvorbehalt erst anlässlich der Hauptverhandlung erfolgte (BGer 6B_531/2018 vom 02.11.2018).
Das Bundesgericht lässt die Frage offen, weil ein allfälliger Mangel ja im Berufungsverfahren geheilt werden kann:
Die Vorinstanz hat die Frage, ob der in der erstinstanzlichen Hauptverhandlung eröffnete Würdigungsvorbehalt rechtzeitig erfolgte, nachvollziehbar offengelassen. Wie sie zutreffend erwägt, kann eine nicht besonders schwerwiegende Verletzung des rechtlichen Gehörs praxisgemäss im Rechtsmittelverfahren geheilt werden, wenn die betroffene Person die Möglichkeit erhält, sich vor einer Rechtsmittelinstanz zu äussern, die sowohl den Sachverhalt als auch die Rechtslage frei überprüfen kann. Unter dieser Voraussetzung ist darüber hinaus – im Sinne einer Heilung des Mangels – selbst bei einer schwerwiegenden Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör von einer Rückweisung der Sache an die Vorinstanz abzusehen, wenn und soweit die Rückweisung zu einem formalistischen Leerlauf und damit zu unnötigen Verzögerungen führen würde (vgl. BGE 144 IV 136 E. 3.1; 142 II 218 E. 2.8.1; 137 I 195 E. 2.3.2; Urteil 6B_617/2016 vom 2. Dezember 2016 E. 3.4; je mit Hinweisen). Dies ist vorliegend der Fall. Der Beschwerdeführer konnte den Einwand zum Würdigungsvorbehalt durch die erste Instanz und dessen Würdigung des Sachverhalts als Beschimpfung statt als üble Nachrede im Verfahren vor der Vorinstanz geltend machen. Da diese sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht über eine volle Kognition verfügte (vgl. Art. 398 Abs. 3 StPO), wäre eine allfällige Gehörsverletzung bereits im kantonalen Verfahren geheilt worden (E. 2.2, Hervorhebungen durch mich).
In dieser Logik ist dann aber ein Berufungsverfahren auch formalistischer Leerlauf, oder nicht?