Versuchte Anstiftung zu Mord?

Wie in der Theorie ein Sachverhalt zu konstruieren wäre, der rechtlich als versuchte Anstiftung zu Mord zu qualifizieren ist, dürfte nicht ganz einfach sein. Es gibt nun aber sogar einen realen Fall, der zweitinstanzlich so qualifiziert und vom Bundegericht bestätigt wurde (BGer 6B_621/2012 vom 23.05.2013). Hier der Sachverhalt gemäss Bundesgerichtsentscheid:

Die türkische Staatsangehörige X. war die Schwiegermutter von Y. Sie beschuldigte die Schwiegertochter mehrmals bei ihrer Familie und ihrem Vater in der Türkei eines unehrenhaften Lebenswandels, namentlich der Prostitution, und gab ihrem Vater zu verstehen, dass er wegen seiner Tochter “Hörner” trage. Am 23. Juli 2007 schrieb sie an eine Nachbarsfamilie in der Türkei einen Brief, in welchem sie die Schwiegertochter (“dieses stinkende Weib, diesen Y. -hund”) der Untreue gegenüber dem Ehemann (die “Hure Y. ” sei mit ihrem Freund, einem Kurden, geflohen), der Prostitution sowie des Diebstahls bezichtigte und Vater und Brüder aufrief, ihre Ehre zu reinigen (“Ihr Vater, ihre Brüder sollen ihre Ehre reinigen”). Einen Brief ähnlichen Inhalts schrieb sie am 20. Februar 2008 an den Gemeindepräsidenten des Heimatdorfes in der Türkei. Der Vater teilte seiner Tochter am 4. Mai 2008 mit, er habe durch den Brief erfahren, dass sie “eine Hure geworden” sei. Der Gemeindepräsident habe ihm gesagt: “Wenn ich dich wäre, würde ich dieses Mädchen reinigen.” Und der Vater fügte an: “Falls der Brief (…) wahr ist, würden deine Brüder dich in der Türkei nicht leben lassen meine Tochter.”

Wieso das versuchte Anstiftung zu Mord sein soll, erklärt das Bundesgericht wie folgt:

Nach den in gewissen Kulturen verbreiteten Vorstellungen soll die Tötung der nicht gefügigen oder unbotmässigen Frau oder Tochter die so genannte “Ehre” der Familie oder Sippe wiederherstellen. Neben den tödlichen Konsequenzen im Einzelfall nimmt dieses Instrument in den Händen der “Familie” den Frauen die Möglichkeit ihrer individuellen Entwicklung und Lebensgestaltung. Es übt eine lähmende, tödliche Drohung aus und terrorisiert auch unausgesprochen die dieser Herrschaft unterworfenen Frauen. Der zerstörenden Wirkung auf die Individualität sowie der jederzeit möglichen Denunziation und andauernden Herabsetzung sind die betroffenen Frauen zumeist schutzlos ausgesetzt. Ein familiäres Todesurteil haben in der Regel Familienmitglieder, insbesondere (jüngere) Brüder oder Neffen, zu vollstrecken (vgl. Urteil 6S.44/2007 vom 6. Juni 2007). Das Verbrechen wird im allgemeinen Sprachgebrauch als “Ehrenmord” bezeichnet. Es liegt nahe, die Tötung der Frau oder Tochter zwecks “Reinigung” der Ehre grundsätzlich als Mord zu qualifizieren. Beweggrund, Zweck der Tat und Art der Ausführung erscheinen in solchen Konstellationen besonders verwerflich (BGE 127 IV 10; Urteil 6S.44/2007 vom 6. Juni 2007).
Die Vorinstanz stützt sich auf BGE 127 IV 10. Auf diesen Entscheid kann verwiesen werden. Nach ihren weiteren Feststellungen entsprach die Geschädigte ihren ehelichen Pflichten nicht gemäss den Vorstellungen ihres Ehemannes und der Beschwerdeführerin. Sie verliess ihn, nachdem er in eine psychiatrische Klinik eingewiesen worden war. Die Beschwerdeführerin verfolgte ihr Ziel auf heimtückische und perfide Weise. Nach erfolglosen Telefonaten erhöhte sie mit Briefen an die Nachbarn und den Gemeindepräsidenten in der Türkei den Druck auf die Familie. Sie wusste, dass die “Familienehre” damit massiv in Frage gestellt und die Familie gezwungen wurde, umgehend zu handeln (E. 2.2).
Wird hier nicht die heimtückische und perfide Teilnahmehandlung mit der Tat verwechselt?