Versuchte Gefährdung des Lebens
Das Strafrecht ist eine echte Wundertüte, welche Konstruktionen wie die versuchte Gefährdung des Lebens zulässt. Mit dieser Konstruktion hatte sich das Bundesgericht wieder einmal zu befassen (BGer 6B_208/2014 vom 28.01.2015).
Die Theorie:
Ob beim Tatbestand der Gefährdung des Lebens ein vollendeter (tauglicher) Versuch möglich ist, kann nicht allgemein bejaht oder verneint werden. Entscheidend sind die konkreten Tatumstände: Liegt zwischen der Tathandlung und dem Erfolgseintritt eine gewisse Zeitspanne, ist Versuch möglich. Verwirklicht sich die unmittelbare Lebensgefahr hingegen praktisch gleichzeitig mit der Tatausführung, scheidet ein Versuch aus (E. 1.2.2).
Die Praxis:
Dass der Beschwerdeführer das Klebeband auf die fragliche Intervention der Drittperson hin etwas lockerte, so dass das Opfer wieder atmen konnte, hält ihm die Vorinstanz mit Blick auf die konkreten Tatumstände als Versuch zugute. Sie weist zutreffend darauf hin, dass zwischen der Knebelung mit Verkleben der Atemwege und dem Eintritt von Erstickungssymptomen eine gewisse Zeitspanne liegt, während welcher der Erfolgseintritt, d.h. die unmittelbare Lebensgefahr, abgewendet werden kann (Urteil 6S.467/2005 E. 2.1 und 2.2). Bei Fortführung der vorliegenden Knebelung wäre das Opfer – ohne entsprechende Intervention – unweigerlich in unmittelbare Lebensgefahr geraten. Die Lockerung der Knebelung bzw. des Klebebands führte dazu, dass die grundsätzlich lebensbedrohliche Situation nicht in eine unmittelbare Lebensgefahr umschlug. Der Tatbestand von Art. 129 StGB wurde folglich nicht vollendet. Der Schuldspruch der versuchten Lebensgefährdung hält vor Bundesrecht stand (E. 1.3.3).
Alles klar?