Verteidigter v. Verteidiger

Das Bundesgericht musste sich bereits wieder (vgl. meinen früheren Beitrag zu 1B_239/2007 vom 10.12.2007) mit einem Fall eines erfolglos beantragten Verteidigerwechsels beschäftigen (1B_237/2007 vom 08.01.2007). Diesmal bewilligte es dem Beschuldigten wenigstens die unentgeltliche Rechtspflege:

Das Gesuch ist gutzuheissen, weil davon ausgegangen werden kann, dass der Beschwerdeführer bedürftig ist, und weil die Rechtsbegehren – jedenfalls teilweise – nicht von vornherein aussichtslos waren. Demzufolge sind keine Kosten zu erheben (E. 2).

Dass der neue Fall nicht aussichtslos war, lag wohl daran, dass der Beschwerdeführer zwei Konfliktsituationen gegenüber seinem Verteidiger geltend machte.

Zunächst machte er geltend, sein Verteidiger habe unbefugterweise Akten an einen Dritten herausgegeben. Das Bundesgericht wirft dem Beschwerdeführer, der in Sicherheitshaft sitzt, vor, mit seinen Ausführungen zu pauschal geblieben zu sein:

Bei der Drittperson handelt es sich um einen weiteren Rechtsanwalt des Beschwerdeführers, der für diesen in Zivilverfahren tätig ist. Im Übrigen erhebt der Beschwerdeführer den betreffenden Vorwurf in pauschaler Weise; damit ist er nicht zu hören. Insbesondere führt er nicht aus, welche Aktenstücke sein Verteidiger dem anderen Rechtsvertreter im Einzelnen nicht hätte herausgeben dürfen (E. 1.6).

Falls die Herausgabe von Akten belegt wäre, was aus dem Entscheid nicht hervorgeht, frage ich mich, was denn der Beschwerdeführer hätte geltend machen müssen. Dass er seinen Anwalt nicht vom Berufsgeheimnis entbunden hat?

Des Weiteren führte der Beschwerdeführer aus, zwischen ihm und seinem Offizialverteidiger gebe es Anstände aus einer Honorarforderung für ein früheres Mandant. Sein Verteidiger habe ihm sogar mit der Einreichung einer Strafanzeige wegen Betrugs gedroht. Dazu das Bundesgericht:

Es ist nicht aktenkundig, dass der Verteidiger gegen den Beschwerdeführer je ein Strafverfahren angestrengt hätte [Anmerkung von mir: was ja auch nicht behauptet worden war]. Sofern der Verteidigte seinerseits gegen den Verteidiger Zivil-, Straf- oder Disziplinarverfahren einleitet, kann die Bewilligung eines Verteidigerwechsels angezeigt sein, zwingend ist dies aber nicht. Vielmehr gilt es diesfalls zu prüfen, ob der Verteidigte dabei stichhaltige Vorwürfe erhoben hat. Der Beschwerdeführer bringt vor, während des bundesgerichtlichen Verfahrens sei bei der Aufsichtskommission des kantonalen Anwaltsverbandes ein Verfahren gegen seinen Verteidiger anhängig gemacht worden. Ob diese Sachdarstellung zutrifft, mag dahingestellt bleiben. Ebenso wenig braucht erörtert zu werden, inwiefern der Beschwerdeführer zur Geltendmachung neuer Tatsachen vor dem Bundesgericht befugt ist. Nach seinen Angaben betrifft das angebliche aufsichtsrechtliche Verfahren nicht andere Kritikpunkte, als er in der Beschwerde in Strafsachen angesprochen hat. Somit ist auch mit Blick darauf keine andere Beurteilung der Beschwerde geboten (E. 1.7.2).

Beisst sich hier die Katze nicht in den Schwanz? Zuerst sagt das Bundesgericht, es sei zu prüfen, ob die Vorwürfe im Aufsichtsverfahren stichhaltig seien, um dann ohne dieses “angebliche” Verfahren zu kennen festzustellen, darin seien “nicht andere Kritikpunkte” angesprochen worden.

Fazit: Verteidigerwechsel sind vor Bundesgericht kaum durchzubringen, schon gar nicht, wenn man sich mit den Begründungsanforderungen nach BGG nicht auskennt. Und weil das die Vorinstanzen wissen, sind sie auch da kaum zu kriegen.

Dabei darf natürlich nicht übersehen werden, dass der Verteidigerwechsel leicht missbraucht werden kann, etwa zwecks Verzögerung des Verfahrens. Solche Missbrauchsfälle ausgenommen sprechen aber gegen einen Verteidigerwechsel wohl nur die damit verbundenen Einarbeitungskosten des neuen Verteidigers. Diese Kosten sollte der Staat unter den Aspekten der notwendigen und effizienten Verteidigung sowie der freien Anwaltswahl in der Regel in Kauf nehmen.