Verwertbare Einvernahmeprotokolle

Das Bundesgerichts hat sich in BGer 6B_825/2008 vom 09.04.2009 mit der Verwertbarkeit von polizeilichen Einvernahmeprotokollen auseinandersetzen müssen:

Die Beschwerdeführerin bringt vorab vor, ihre Aussagen wie auch jene des Opfers seien deshalb nicht verwertbar, weil die Polizei zur Durchführung der Einvernahmen vom 17. Februar 2005 mangels Delegation durch die Staatsanwaltschaft nicht kompetent gewesen sei. Da sich bereits am Tatort gezeigt habe, dass von einem versuchten Tötungsdelikt ausgegangen werden musste und daher ein dringender Tatverdacht gegen sie bestanden habe, hätte die Polizei vor den Einvernahmen zwingend der Staatsanwaltschaft Bericht erstatten müssen, zumal die Polizei mit ihrer Inhaftnahme eine Zwangsmassnahme angeordnet habe. Die benachrichtigte Staatsanwaltschaft hätte alsdann über die Eröffnung einer Strafuntersuchung und über die Delegation der Befragungskompetenzen an die Polizei entscheiden müssen. Da die Polizei mit anderen Worten die Staatsanwaltschaft nicht unverzüglich informiert und diese daher die Untersuchung erst am 18. Februar 2005 eröffnet habe, seien die zuvor durchgeführten drei Einvernahmen unverwertbar (E. 2.1).

Das Bundesgericht ist  – jedenfalls unter dem Aspekt der gerügten willkürlichen Anwendung kantonalen Rechts –  anderer Auffassung:

 

2.3.1 Gemäss .§ 22 Abs. 1 StPO/ZH erstattet die Polizei der Untersuchungsbehörde über ihre Ermittlungen insbesondere dann Bericht, wenn ein Anfangsverdacht für strafbares Verhalten besteht oder Zwangsmassnahmen (i.S.v. § 72 a Gerichtsverfassungsgesetz [GVG]/ ZH) angeordnet worden sind. Die Untersuchungsbehörde hat darüber zu entscheiden, ob eine Untersuchung zu eröffnen ist (vgl. § 22 Abs. 4 StPO/ZH).
 
Als die die eigentliche Untersuchung vorbereitende Phase sollen die polizeilichen Ermittlungen rasch abgeschlossen werden, damit die Untersuchungsbehörde möglichst bald den Fall in eigener Verantwortung übernehmen kann. Daraus folgt, dass die Polizei sich auf die ersten Ermittlungen beschränken und alsdann die erhobenen Beweise und insbesondere die erstellten Einvernahmeprotokolle mit einem zusammenfassenden Rapport der Untersuchungsbehörde weiterleiten sollte (Niklaus Schmid, in: Andreas Donatsch/Niklaus Schmid [Hrsg.], Kommentar zur Strafprozessordnung des Kantons Zürich, Stand Januar 1999, § 22 N. 7). Die Polizei hat mithin den deliktsrelevanten Sachverhalt zu ermitteln und hierzu die Spuren zu sichern, Tatverdächtige und potentielle Zeugen zu befragen, weitere Beweise zu eruieren und die unaufschiebbaren Sofortmassnahmen zu treffen (vgl. Niklaus Schmid, Strafprozessrecht, 4. Aufl., 2004, N. 777). Der Staatsanwaltschaft Bericht zu erstatten ist, sobald ein hinreichend konkreter Verdacht auf eine Straftat besteht (Andreas Donatsch/Ulrich Weber/Cornelia Hürlimann, Die Revision des Zürcher Strafverfahrensrechts vom 27. Januar 2003, 2005, S. 15).
2.3.2 Nach § 54 Abs. 1 StPO/ZH sind die Polizeiorgane verpflichtet, eine Person festzunehmen, welche ein Verbrechen oder Vergehen in ihrer Gegenwart verübt hat oder nach ihrer eigenen Wahrnehmung oder nach Mitteilung glaubwürdiger Personen eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtigt wird, sofern ein Haftgrund gegeben ist. § 57 StPO/ZH legt fest, dass die Polizei die festgenommene Person unverzüglich befragt und andere sogleich durchführbare Abklärungen tätigt, welche geeignet sind, einen Haftgrund zu bestätigen oder diesen zu beseitigen. Ist ein Haftgrund nicht oder nicht mehr gegeben, muss die betroffene Person unverzüglich entlassen werden. Andernfalls muss sie spätestens innert 24 Stunden nach ihrer Festnahme dem Untersuchungsbeamten zugeführt werden.
 
Gegenstand der polizeilichen Einvernahme der beschuldigten Person bilden in erster Linie Fragen zu ihrer Identität und solche betreffend die Gegebenheiten, die den Tatvorwurf begründen (SCHMID, in: Donatsch/Schmid [Hrsg.], a.a.O., Stand März 1996, § 57 N. 5). 
2.4 Die Polizei war folglich gestützt auf § 57 StPO/ZH befugt, innert der Frist von 24 Stunden seit der Festnahme der Beschwerdeführerin diese zu ihrer Person und zum Tatvorwurf polizeilich zu befragen. Dem steht § 22 Abs. 1 StPO/ZH, wonach die Polizei der Untersuchungsbehörde Bericht zu erstatten hat, sobald ein Anfangsverdacht für strafbares Verhalten besteht, nicht entgegen, ergab sich doch – wie die Vorinstanz zutreffend betont (vgl. angefochtenes Urteil S. 8) – nicht bereits gestützt auf die am Tatort gewonnenen Erkenntnisse, sondern erst nach der Befragung der Beschwerdeführerin und des Opfers ein hinreichend konkreter Verdacht auf eine versuchte vorsätzliche Tötung. Die Polizei hat vorliegend die ersten Ermittlungen zügig abgeschlossen und der Untersuchungsbehörde rasch Bericht erstattet. Wollte man demgegenüber in solchen Fällen der Ansicht der Beschwerdeführerin folgen, so würde es der Polizei verunmöglicht, sofort die ersten Beweismassnahmen zu treffen und die für die formelle Verfahrenseröffnung notwendigen Voraussetzungen zu prüfen. 
Zusammenfassend ist damit im Sinne eines Zwischenfazits festzuhalten, dass die Vorinstanz § 22 StPO/ZH nicht willkürlich angewendet hat, indem sie geschlossen hat, der Bericht der Polizei an die Untersuchungsbehörde sei nicht verspätet erstattet worden. Dementsprechend sind auch die Folgerungen im angefochtenen Urteil, die Polizei sei zur Durchführung der Einvernahmen vom 17. Februar 2005 zuständig gewesen und die Aussagen der Beschwerdeführerin und des Opfers seien unter diesem Gesichtspunkt daher verwertbar, nicht zu beanstanden.
Auch die übrigen Rügen hat das Bundesgericht abgewiesen. Ich verweise auf den eingangs verlinkten Entscheid.