Verwertbare Geständnisse, mit oder ohne Anwalt

Das Bundesgericht weist die Beschwerde dreier in Deutschland lebender Landwirte ab, die in einem Verwaltungsstrafverfahren verurteilt wurden (BGer 6B_746/2009 vom 22.12.2009). Die Landwirte machten unterem anderen geltend, ihre Einvernahmen seien mangels Rechtsbelehrung nicht verwertbar. Dazu das Bundesgericht:

Für die Anforderung an die Aufklärungspflicht ist auf das im Zeitpunkt der Einvernahme geltende Recht abzustellen (Urteile des Bundesgerichts 6P.216/2006 vom 12. Februar 2007 E. 4.1; 1P.261/2002 vom 20. Januar 2004 E. 3.1 und 3.2). Eine Pflicht der Untersuchungsbehörde, den Beschuldigten ausdrücklich auf sein Aussageverweigerungsrecht hinzuweisen, ergab sich gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung weder aus Art. 4 der Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 noch aus Art. 6 Ziff. 1 EMRK oder Art. 39 VStrR (Urteile des Bundesgerichts 1P.261/2002 vom 20. Januar 2004 E. 3.2; 8G.55/2000 vom 14. März 2001 E. 3b/aa). Eine entsprechende Aufklärungspflicht lässt sich auch nicht aus Art. 14 Ziff. 3 lit. g Uno-Pakt II ableiten. Zu prüfen ist jedoch, ob die Aussagen der Beschwerdeführer in einer den Anspruch auf ein faires Verfahren nach Art. 29 Abs. 1 BV bzw. Art. 4 aBV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK verletzenden Weise zustande gekommen sind. Danach darf der Strafanspruch vom Staat nur in korrekter, der besonderen Stellung des rechtsunterworfenen Beschuldigten und dem Ernst des Zieles entsprechender Weise durchgesetzt werden (NIKLAUS SCHMID, Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, 2009, N. 98 S. 36) (E. 2.3).

Auch aus dem Grundsatz des fairen Verfahrens konnten die Beschwerdeführer nichts zu ihren Gunsten ableiten, weil sie anlässlich eines informellen Gesprächs darüber orientiert wurden, dass gegen sie ermittelt wurde:

Die Beschwerdeführer erschienen am 24. Juni 1997 vereinbarungsgemäss zur informellen Besprechung in Kreuzlingen, anlässlich welcher sie über die laufende Untersuchung betreffend die Pachtverhältnisse mit A. informiert wurden und man ihnen eröffnete, weshalb auch gegen sie ermittelt werde. Sie wurden ausserdem darüber in Kenntnis gesetzt, dass bei Ausbleiben zur schriftlichen Befragung das Strafverfahren gegen sie aufgrund der Akten geführt werde. Die Beschwerdeführer erklärten sich daraufhin mit einer schriftlichen Befragung einverstanden, worauf der Einvernahmetermin auf den 15. Juli 1997 angesetzt wurde (E. 2.4)

Dieses Argument des Bundesgerichts verstehe ich nicht. Was haben informelle Besprechungen mit Aufklärungspflichten und „fair trial“ zu tun? Was haben sie überhaupt im Strafprozess zu suchen?

Auch das Recht auf die Anwesenheit eines Anwalts anlässlich der ersten (formellen) Befragung half den Beschwerdeführern nicht, weil sich ein solches (noch) nicht aus Verfassung und Gesetz ableiten lässt:

Entgegen den Vorbringen der Beschwerdeführer lässt sich ein Recht des nicht inhaftierten Beschuldigten auf Teilnahme seines Anwalts an der ersten (polizeilichen) Einvernahme nicht aus Art. 6 EMRK ableiten (BGE 104 Ia 17 E. 4; Urteil des Bundesgerichts 1P.556/2006 vom 25. Januar 2007 E. 3.3). Die Beschwerdeführer legen auch nicht dar (vgl. Art. 106 Abs. 2 BGG), weshalb Art. 39 Abs. 3 VStrR mit der EMRK nicht vereinbar sein soll (E. 2.7).

Soweit ich EGMR Nr. 36391/02 (Salduz vs. Türkei) richtig verstehe, sieht das der EGMR aber anders. Oder will man auch hier argumentieren, Salduz sei damals noch nicht bekannt gewesen?

Bemerkenswert sind schliesslich die Ausführungen des Bundesgerichts zur Verwertbarkeit (angeblicher) im Ausland erfolgter Ermittlungen durch schweizerische Zollbeamte:

Die Beschwerdeführer behaupten nicht, die angeblichen Ermittlungen in Deutschland, vorausgesetzt solche fanden tatsächlich statt, hätten in Form von Untersuchungsberichten oder anderweitig Eingang in die Akten gefunden. Damit ist auch nicht ersichtlich, wie es zu einer unzulässigen Verwertung hätte kommen können. (E. 3.3).

Das erscheint mir nun doch ein bisschen zu einfach, zumal die Beschwerdeführer hierzu Zeugen beantragt hatten, was ihnen in antizipierter Beweiswürdigung verweigert wurde. Aber irgendwoher kommt ja doch ein Anfangsverdacht. Was, wenn dieser auf illegalen Ermittlungshandlungen im Ausland basiert?