Verwertungsverbote im Haftprüfungsverfahren?
Im Rahmen eines Haftprüfungsverfahrens machte eine der Einfuhr von Kokain Beschuldigte u.a. geltend, der Tatverdacht beruhe auf nicht verwertbaren Zufallsfunden. Damit blieb sie bis vor Bundesgericht (1B_159/2007 vom 23.08.2007) ohne Erfolg:
Die Verwertbarkeit von Beweismitteln im Haftprüfungsverfahren wirft sowohl in Bezug auf Zufallsfunde wie auch hinsichtlich anderer Beweismittel Fragen auf, wenn entsprechende Formmängel geltend gemacht werden. Die Verwertbarkeit der Beweismittel ist in erster Linie vom Sachrichter und nicht vom Haftrichter zu beurteilen. Das zeigt sich daran, dass der Sachrichter unter Umständen in Abwägung der betroffenen Interessen auch formwidrig erhobene Beweise berücksichtigen darf (BGE 131 I 272). Umso mehr können im Haftprüfungsverfahren als formwidrig gerügte Beweise für die Beurteilung des Tatverdachts herangezogen werden. Darüber hinaus ist im vorliegenden Fall unter dem Gesichtswinkel des BÜPF zu beachten, dass die richterliche Genehmigung des Zufallsfundes vom 24. April 2007 nachträglich und rückwirkend erfolgt ist (…). Aus der Vernehmlassung der Staatsanwaltschaft, welche die Beschwerdeführerin nicht in Frage stellt, ergibt sich weiter, dass zwar vor der richterlichen Genehmigung des Zufallsfundes gewisse als unaufschiebbare Ermittlungshandlungen bezeichnete Sofortmassnahmen getroffen worden sind, dass aber nach Vorliegen der richterlichen Genehmigung weitere Ermittlungen getätigt worden sind, namentlich Konfrontationen der Beschwerdeführerin mit den Telefonaufzeichnungen und einem Mittäter. Die Beschwerdeführerin bringt nicht vor, dass diese Beweiserhebungen für die Beurteilung des umstrittenen Tatverdachts nicht verwertbar sein sollten (E. 1.2).
Mit anderen (wie immer überspitzten) Worten: Ergibt sich der erforderliche Tatverdacht aufgrund des gesunden Menschenverstands, sind justizförmig erhobene Beweise nicht nötig.
Ich war immer der Meinung, die „rule of law“ sei u.a. deshalb massgebend, weil sie zuverlässiger ist als der gesunde Menschenverstand, dem man den Rechtsunterworfenen zur Vermeidung von Willkür gerade nicht aussetzen will. Nur wer der „rule of law“ nicht traut, weicht auf den gesunden Menschenverstand aus.
Ich gebe zu, dass diese Bemerkung bei anderen Haftentscheiden besser angebracht wäre als beim hier kommentierten. Aber man wird den Eindruck schon nicht ganz los, dass in Haftsachen manchmal vom erwünschten Ziel (der Haftbelassung) her argumentiert wird. Oder wie es ein Richter kürzlich ausgedrückt hat:
Einen Mörder entlassen wir aus bloss formellen Gründen sicher nicht aus der Haft. Solchen Blödsinn machen wir also dann schon nicht.
Rudolf von Jhering würde wohl folgendes entgegenhalten:
„Die Form ist die Zwillingsschwester der Freiheit, die geschworene Feindin der Willkür“.