Verzicht auf Teilnahmerechte
Wer an einer der Verteidigung bekannten Einvernahme eines Zeugen nicht teilnimmt, kann sich nicht auf eine Verletzung der Teilnahmerechte berufen (BGer 6B_1178/2016 vom 21.04.2017).
Möglich wäre das gestützt auf Art. 147 Abs. 3 StPO nur, wenn die Unmöglichkeit der Teilnahme begründet würde (und zwar für die Verteidigung und die beschuldigte Person!) und wenn die Aussage für die Verurteilung massgebend war. So jedenfalls verstehe ich die Erwägungen des Bundesgerichts:
Die Vorladung wurde am 8. Februar 2011 von der Staatsanwaltschaft auch dem Verteidiger des Beschwerdeführers zugestellt (…). Zwar nahm der Verteidiger nicht an der Einvernahme teil, doch führt dies, wie die kantonalen Instanzen zutreffend feststellen, nicht zu deren Unverwertbarkeit (…), zumal es dem Verteidiger freigestanden hat, an der Einvernahme teilzunehmen und Ergänzungsfragen zu stellen. Der Beschwerdeführer bringt zwar vor, sein Verteidiger habe wegen eines anderen Termins an der Einvernahme nicht teilnehmen können und die Staatsanwaltschaft habe ein mündliches Ersuchen um Verschiebung der Befragung abgewiesen (…). Doch wird dies vom Beschwerdeführer nicht näher belegt. Zudem besteht gemäss Art. 147 Abs. 2 StPO kein Anspruch auf Verschiebung der Beweiserhebung. Schliesslich hat die Einvernahme keine wesentlichen Erkenntnisse für die Abklärung des Sachverhalts erbracht. Insofern ist nicht zu beanstanden, wenn die Staatsanwaltschaft (…) annehmen, die Aussage sei für das Verfahren irrelevant […].
Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz von einer Wiederholung der Einvernahme von H. abgesehen hat. Schliesslich begründet der Beschwerdeführer nicht, inwiefern es für ihn selbst nicht möglich gewesen wäre, an der Einvernahme teilzunehmen (E. 4.4).
Will die Verteidigung nichts riskieren, hat sie somit aktenkundig zu machen, dass das Verschiebungsgesuch begründet war. Ein Telefon an den Staatsanwalt reicht dazu offenbar nicht (obwohl dieser ja ein Verfahrensprotokoll führen müsste; die Dokumentationspflicht trifft ja an sich nicht die Parteien, sondern die Verfahrensleitung). Der vorliegende Fall war aber ohnehin etwas kritisch, was man daran erkennt, dass das Bundesgericht in antizipierter Beweiswürdigung feststellte, der Beschuldigten hätte auch ohne Berücksichtigung der fraglichen Einvernahme willkürfrei verurteilt werden können.
Abgesehen davon, dass antizipierte Beweiswürdigung eine logische Fehlkonstruktion ist, die wohl nur uns Juristen einfallen kann, frage ich mich, ob es richtig sein kann, aus dem Ergebnis einer Aussage auf deren Belastungswirkung und damit auf die Nicht-Verletzung der Teilnahmerechte zu schliessen.