Vierjähriges Berufungsverfahren
Das Appellationsgericht BS hat für ein Berufungsverfahren fast vier Jahre benötigt; dies in einer Haftsache. Allein für die Ausfertigung der schriftlichen Urteilsbegründung benötigte es acht Monate. Das erschien dann auch den beigezogenen Zivilrechtlern zu viel (BGer 6B_682/2023 vom 18.10.2023):
Dies gilt auch für die Dauer von 8 Monaten zwischen der Urteilseröffnung und der Urteilsbegründung. Zwar handelt es sich bei Art. 84 Abs. 4 StPO, der die Ausfertigung des Berufungsurteils grundsätzlich innert 60, höchstens 90 Tagen verlangt, um eine Ordnungsvorschrift. Gleichwohl ist das Überschreiten dieser Fristen im vorliegenden Fall nur schwer nachvollziehbar, zumal die Vorinstanz im Rahmen der Beweiswürdigung weitgehend auf die erste Instanz verweist. Ihr kann daher insoweit keine besonders aufwendige oder umfangreiche Urteilsbegründung zugutegehalten werden. Unter den gegebenen Umständen ist die gewährte Strafreduktion von 6 Monaten nicht mehr vom vorinstanzlichen Ermessen gedeckt. Die Beschwerde ist insoweit gutzuheissen (E. 3.2.2)..
Hinzu kamen dann noch weitere Bundesrechtsverletzungen:
Der Beschwerdeführer rügt zu Recht, dass sich die Vorinstanz in einen unlösbaren Widerspruch begibt, wenn sie erwägt, die erstinstanzlich ausgesprochene Landesverweisung von 12 Jahren sei angemessen, sie den Beschwerdeführer im Dispositiv aber für 15 Jahre des Landes verweist. Die Beschwerde ist auch insoweit gutzuheissen und zu neuem Entscheid, allenfalls zur Berichtigung eines offensichtlichen Versehens, an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Gleichfalls zuzustimmen ist dem Beschwerdeführer, wenn er rügt, die Vorinstanz gehe zu Unrecht davon aus, dass die erstinstanzlich angeordnete Ausschreibung der Landesverweisung unangefochten geblieben sei. Aus der Berufungsbegründung vom 26. Juni 2020 ergibt sich klar, dass der Beschwerdeführer auch die Ausschreibung resp. die Eintragung der Landesverweisung im SIS angefochten hat. Die Vorinstanz wird sich daher mit den entsprechenden Rügen des Beschwerdeführers zur Ausschreibung auseinandersetzen müssen (E. 4.2).
Bemerkenswert ist schliesslich noch die bundesgerichtliche Kostenliquidation:
Die Beschwerde ist teilweise gutzuheissen und die Sache ist zu neuem Entscheid im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen. Im Übrigen ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
Soweit der Beschwerdeführer unterliegt, sind ihm die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, da sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege insoweit infolge Aussichtslosigkeit der Beschwerde abzuweisen ist. Seinen finanziellen Verhältnissen ist bei der Kostenfestsetzung Rechnung zu tragen. Der Beschwerdegegnerin sind keine Kosten aufzuerlegen. Hingegen hat der Beschwerdeführer im Umfang seines Obsiegens zulasten des Kantons Basel-Stadt Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 64 ff. BGG). Diese ist seinem Rechtsbeistand auszurichten (E. 5).
Leider merkt man den Beizug des Zivilrechtlers aber bei den materiellen Erwägungen:
“Auch die Rüge des Beschwerdeführers, wonach keine Konfrontation mit den Personen stattgefunden habe, die ihn in den aufgezeichneten Telefonaten belastet hätten, ist unbegründet. Er wurde mit den belastenden Aussagen in den Telefongesprächen konfrontiert und ihm wurde die Gelegenheit gegeben, sich dazu zu äussern, resp. diese Aussagen in kontradiktorischer Weise infrage zu stellen (vgl. zum Konfrontationsrecht Urteil 6B_999/2022 vom 15. Mai 2023 E. 3.1.1 mit Hinweisen). Sein Anspruch auf rechtliches Gehör und ein faires Verfahren ist damit gewahrt. ” (E 2.4)
Wie das Zuhören von Telefonaufzeichnungen ohne Einvernahme der darauf aufgezeichneten Personen das Konfrontationsrecht wahrt ist mir schleierhaft
Zivilrechtler
Im Sozialversicherungsrecht gib es ebenfalls den aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör fliessenden Anspruch, dass es unzulässig ist Auskünfte zu wesentlichen Punkten des Sachverhalts telefonisch einzuholen und in einer Aktennotiz zu dokumentieren und, dass solche Auskünfte entweder in einem persönlichen Gespräch einzuholen sind bei dem die versicherte Person anwesend ist und die Fragen und Antworten hören kann und der Auskunftsperson Ergänzungsfragen stellen kann oder in Form einer schriftlichen Anfrage und einer schriftlichen Antwort einzuholen sind und die versicherte Person darüber zu informieren ist, sodass die versicherte Person schriftlich Ergänzungsfragen stellen kann. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hat die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör als “geheilt” betrachtet, da die versicherte Person nachdem der Rechtsvertrerter bei einer Akteneinsicht auf die äusserst knappe Zusammenfassung der angeblichen Auskünfte in einer vor dem Erlass der Verfügung erfolgten telefonischen Auskunft (ohne Zusammenfassung der Fragen) gestossen ist, doch die Gelegenheit hatte im Beschwerdeverfahren dazu Stellung zu nehmen. Dabei wird ausgeblendet, dass ohne Beisein im Gespräch für den Rechtsvertreter und für das Gericht unbekannt ist, wie der genaue Wortlaut der Fragen und der Antworten war und somit nicht beurteilt werden kann, wie darauf zu reagieren ist und ob und welche Ergänzungsfragen an die Auskunftsperson zu stellen sind. Die Rechtsprechung zum Sozialversicherungsrecht sagt denn auch, dass bei einer Heilung die Person so zu stellen ist, wie wenn das rechtliche Gehör nicht verletzt worden wäre. Mal sehen, ob das Bundesgericht diese und zahlreiche andere Verletzungen des rechtlichen Gehörs durch den Sozialversicherungsträger und durch das diesem gegenüber sehr grosszügige Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich einfach durchwinken wird. Hauptsache die versicherte Person muss die Gerichtskosten bezahlen und Hauptsache man kann der versicherten Person die Zusprechung einer Parteientschädigung verweigern, obwohl die Beschwerde durch Verletzungen des rechtlichen Gehörs durch den Sozialversicherungsträger verursacht wurde und eine Heilung solcher Gehörsverletzung rechtsprechungsgemäss zu einer Kostenauflage an den Sozialversicherungsträger und nicht an die versicherte Person führt.
Für das Strafrecht gäbe es halt für diesen Sachverhalt eigentlich noch die EMRK mit der Bestimmung “(3) Jede angeklagte Person hat mindestens folgende Rechte: d) Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten”
Aber was interessiert dass das Bundesgericht schon
What the hell? Was für einen hanebüchenen Unsinn machen sie da?! Mit “Zivilrechtler” kann man das nicht mehr rechtfertigen…. 🙁
Aussichtslose Beschwerde halt.
Ich verstehe diesen Entscheid nicht.
Und wieso ist das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege aussichtslos, wenn der Beschwerdeführer teilweise obsiegt?!
@Harry Hirsch:
Weil in BGE 139 III 396 betreffend Art. 64 BGG entschieden wurde, dass der bedürftigen Partei die unentgeltliche Rechtspflege auch nur teilweise in Bezug auf die nicht aussichtslosen Rechtsbegehren gewährt werden kann, wenn in der Beschwerde mehrere Rechtsbegehren gestellt werden, die unabhängig voneinander beurteilt werden können.
https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F139-III-396%3Ade&lang=de&zoom=&type=show_document Ein Beispiel im Strafrecht 6B_628/2015 vom 21. Dezember 2015 E. 4 https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/aza/http/index.php?highlight_docid=aza://21-12-2015-6B_628-2015&lang=de&zoom=&type=show_document