Vollständig und richtig protokolliert?

Die Justiz legt bekanntlich nur sehr geringen Wert auf die gesetzeskonforme Protokollierung, es sei denn, es gehe um die Protokollierung ausserhalb von justiziellen Verfahren. Wer ausserhalb des Gerichtssaals falsch oder unvollständig protokolliert, bewegt sich mindestens im Grenzbereich von strafbaren Handlungen, bspw. von Urkundendelikten. Vor Gericht nimmt man es weniger genau, obwohl strenge und klare Vorschriften bestehen. Eigentlich würde gelten, dass die Verfahrensleitung nach Art. 76 Abs. 3 StPO dafür verantwortlich ist, “dass die Verfahrenshandlungen vollständig und richtig protokolliert werden.” In der Praxis wird diese Regel immer noch oft missachtet.

Hier ein Zitat aus einem heute publizierten Urteil (BGer 6B_161/2015 vom 08.07.2015):

Die vom Beschwerdeführer beantragte Protokollberichtigung betrifft Ausführungen der Staatsanwaltschaft in ihrem replizierenden Plädoyer. Der Staatsanwalt äusserte sich darin zur Beweiswürdigung, wobei er sich darauf beschränkte, Aussagen der Polizisten A. und B. zu würdigen. Die Vorinstanz weist zutreffend darauf hin, dass die betreffenden Ausführungen nicht entscheidrelevant sind, da die Beweiswürdigung dem Gericht obliegt und die Würdigung der Staatsanwaltschaft für das Gericht nicht bindend ist (…). Zwar geht die Lehre überwiegend davon aus, dass die Parteivorträge im gerichtlichen Verfahren nach den allgemeinen Grundsätzen von Art. 76 Abs. 1 StPO zu protokollieren sind (…). An die Protokollierung einer mündlichen Replik der Staatsanwaltschaft können aber keine hohen Anforderungen gestellt werden. Nicht zu beanstanden ist daher, wenn diese im Protokoll der erstinstanzlichen Hauptverhandlung nur in den Grundzügen wiedergegeben wird. Auf jeden Fall legt der Beschwerdeführer weder dar noch ist ersichtlich, inwiefern ihm aus der angeblich ungenügenden Protokollierung ein Nachteil hätte erwachsen können und weshalb er ein Interesse an der exakten Wiedergabe der betreffenden Aussage des Staatsanwalts haben könnte. Die Vorinstanz durfte den Antrag des Beschwerdeführers auf Protokollberichtigung daher ohne Verletzung von Bundesrecht abweisen. Dass dies keinen Eingang in das Dispositiv des angefochtenen Entscheids fand, gereichte dem Beschwerdeführer ebenfalls nicht zum Nachteil. Dieser hat angesichts des Ausgangs des Beschwerdeverfahrens keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (E. 1.2, Hervorhebungen durch mich).

Ja dann lassen wir es mit der Protokollierung doch lieber gleich ganz und schalten endlich die Tonbandgeräte ein. Im vorliegenden Fall hätte man wohl auch die Parteivorträge nicht benötigt, denn die Beweiswürdigung obliegt ja dem Gericht. Wahrscheinlich war aber schon im Vorverfahren alles klar, so dass es die Hauptverhandlung gar nicht gebraucht hätte.