Vollzugsrechtliche Sicherheitshaft
Es gibt bekanntlich auch Sicherheitshaft, die in der StPO nicht vorgesehen ist. Sie greift in der Praxis dann, wenn die Freiheitsstrafe bereits vollzogen und die Massnahme beendet ist. Gemäss Bundesgericht könnten dann die Kantone die entsprechenden Grundlagen schaffen, da sie im Bereich Straf- und Massnahmenvollzug zuständig seien. Das ist insofern nicht ganz überzeugend, wenn Strafe und Massnahme beendet sind. Klar ist jedenfalls, dass Art. 5 EMRK auch in solchen Fällen zu beachten ist.
Die materiellen Fragen ziehen prozessuale nach sich. Ein Beschwerdeführer gelangte daher mit einer Beschwerde an das Bundesgericht, welches die heisse Kartoffel in Fünferbesetzung an den Kanton zurückgeschoben hat (BGer 1B_186/2015 vom 15.07.2015).
Das Bundesgericht schildert die Problemstellung wie folgt:
Da die Art. 363 ff. StPO keine besonderen Regelungen für die Anordnung und Fortsetzung von Sicherheitshaft bei hängigen nachträglichen gerichtlichen Verfahren über Strafen und Massnahmen enthalten (so ausdrücklich BGE 139 IV 175 E. 1.1 S. 178; Urteil 1B_6/2012 vom 27. Januar 2012 E. 2.4; vgl. auch Marianne Heer, Basler Kommentar StGB, 3. Aufl. 2013, Rz. 132 zu Art. 59 StGB; Forster, a.a.O., Rz. 6 zu Art. 232 StPO), haben einige Kantone, gestützt auf ihre Zuständigkeit zur Gesetzgebung im Bereich des Straf- und Massnahmenvollzugs (Art. 123 Abs. 2 BV), entsprechende gesetzliche Grundlagen geschaffen (vgl. z.B. Art. 50 Abs. 2 des Einführungsgesetzes des Kantons St. Gallen zur Schweizerischen Straf- und Jugendprozessordnung vom 3. August 2010 [EG-StPO/SG; sGS 962.1]; § 22 des Straf- und Justizvollzugsgesetzes vom 19. Juni 2006 des Kantons Zürich [StJVG; ZH-Lex 331]; Art. 38a des Gesetzes vom 25. Juni 2003 über den Straf- und Massnahmenvollzug des Kantons Bern [SMVG; BSG 341.1]; § 44 des Einführungsgesetzes des Kantons Aargau zur Schweizerischen Strafprozessordnung vom 16. März 2010 [EG-StPO/AG; SAR 251.200]; Art. 19 Loi sur l’exécution des peines et mesures vom 2. Oktober 2013 des Kantons Jura [LEPM; RSJ 341.1]; Art. 95bis des Justizgesetzes vom 9. November 2009 des Kantons Schaffhausen [JG; SHR 173.200]; Art. 6a des Gesetzes über die Einführung des Schweizerischen Strafgesetzbuches des Kantons Uri vom 12. Juni 1988 [EG-StPO/UR; RB 3.9211]).
Und wieso nun zurück an die Vorinstanz?
Der Beschwerdeführer und das Amt für Justizvollzug bringen zu Recht vor, dass hier die vollzugsrechtliche Sicherheitshaft nach Art. 50 Abs. 2 EG-StPO/SG einschlägig ist. Danach kann in dringenden Fällen das zuständige Departement die verurteilte Person in Sicherheitshaft setzen, wenn die Gefahr besteht, dass diese die öffentliche Sicherheit gefährdet oder sich dem Verfahren entzieht. Für das “weitere Verfahren” verweist Art. 50 Abs. 2 EG-StPO/SG auf Art. 440 StPO. Da es sich bei der hier in Frage stehenden vollzugsrechtlichen Sicherheitshaft jedoch um ein rein kantonalrechtliches Institut handelt, ist ein Abweichen vom Grundsatz der Doppelinstanzlichkeit unzulässig, weil keine Ausnahme nach Art. 80 Abs. 2 Satz 3 BGG vorliegt (E. 4.2).
Ist es mit der EMRK vereinbar, wenn die Exekutive die Sicherheitshaft anordnet? Da ist das letzte Wort wohl noch nicht gesprochen.