Vom Begriff des normalen Menschen, von Verbrechensgenossen und von unqualifizierten Hausärzten

In einem heute publizierten Urteil kommt das Bundesgericht zum Ergebnis, dass die Vorinstanz den Antrag auf eine Begutachtung der Zurechnungsfähigkeit des Täters zu Recht abgewiesen hat. Zur Begründung macht es Ausführungen zu den Verbrechensgenossen und zum nicht eng zufassenden Begriff des normalen Menschen (BGer 6B_1101/2013 vom 26.05.2014):

Bei der Prüfung dieser Zweifel ist zu berücksichtigen, dass nicht jede geringfügige Herabsetzung der Fähigkeit, sich zu beherrschen, genügt, um eine Verminderung der Schuldfähigkeit anzunehmen. Der Betroffene muss vielmehr in hohem Masse in den Bereich des Abnormen fallen, zumal der Begriff des normalen Menschen nicht eng zu fassen ist. Seine Geistesverfassung muss mithin nach Art und Grad stark vom Durchschnitt nicht bloss der Rechts-, sondern auch der Verbrechensgenossen abweichen. Zeigt das Verhalten des Täters vor, während und nach der Tat, dass ein Realitätsbezug erhalten war, dass er sich an wechselnde Erfordernisse der Situation anpassen, auf eine Gelegenheit zur Tat warten oder diese gar herbeiführen konnte, so hat eine schwere Beeinträchtigung nicht vorgelegen (BGE 133 IV 145 E. 3.3 mit Hinweisen) [E. 2.3.3, Hervorhebungen durch mich].

Um das zu beurteilen braucht es kein Fachwissen, über das der Jurist nicht verfügte. Im vorliegenden Fall wurde der Antrag ja auch bloss durch einen Bericht eines offenbar wenig qualifizierten Hausarztes gestützt:

In Bezug auf die Würdigung des Berichtes des Dr. med. C ist zudem praxisgemäss der Erfahrungstatsache Rechnung zu tragen, wonach Hausärzte mitunter im Hinblick auf ihre auftragsrechtliche Vertrauensstellung im Zweifelsfall eher zu Gunsten ihrer Patienten aussagen (BGE 135 V 465 E. 4.5 S. 470; 125 V 351 E. 3a/cc S. 353 mit weiteren Hinweisen; vgl. auch Urteil 8C_663/2007 vom 4. August 2008 E. 4.2 mit Hinweisen). Von einer willkürlichen Infragestellung der psychiatrischen Diagnose des hiefür nicht qualifizierten Hausarztes kann keine Rede sein (E. 2.4).

Wer den Entscheid liest, wird ihn wahrscheinlich wie ich für richtig halten. Aber ist es wirklich nötig, dass das ehrwürdige Höchstgericht eine derart grobe Klinge führt? Seine Urteile gewinnen dadurch an vielem, aber eher nicht an Akzeptanz.