Vom Rückenleiden eines Untersuchungsrichters

Das Bundesstrafgericht (I. Beschwerdekammer) hat einen Entscheid online gestellt, der in mehrfacher Hinsicht nicht überzeugt (BA.2007.4 vom 19.07.2007). Es ging um eine Beschwerde einer Zeugin (A.), die sich anlässlich ihrer Einvernahme von einem eidg. Untersuchungsrichter (B.) unfair behandelt fühlte und eine Ergänzung ihres Befragungsprotokolls beantragte. Sie machte geltend,

B. habe sie bei der Zeugeneinvernahme vom 15. Mai 2007 angeschrien und sei vom Stuhl „aufgeschossen“. Er habe gesagt, „Frau A., das glaube ich Ihnen nicht“. B. habe mit der Hand auf den Tisch geschlagen, sei ausgerastet und habe sich vor ihr in bedrohlicher Art und Weise „aufgebaut“. Trotz der Intervention und der Aufforderung des ebenfalls anwesenden Verteidigers des Beschuldigten sei der Vorfall nicht protokolliert worden. Der Verteidiger habe der Protokollführerin ungefähr den folgenden Text diktiert: „Der Untersuchungsrichter schlägt mit der Hand auf den Tisch und stellt sich bedrohend hin vor die Zeugin.“ Sie verlange deshalb die nachträgliche Protokollierung dieses Textes im Protokoll. B. sei im Übrigen völlig befangen und stelle Suggestivfragen.

Die I. Beschwerdekammer wies die als Aufsichtsbeschwerde behandelten Anträge der Zeugin A. ab. Hier ein paar Zitate aus der Begründung:

Aufgrund der Ausführungen von Beschwerdeführerin und Beschwerdegegner ist erstellt, dass der Beschwerdegegner anlässlich der Einvernahme vom 15. Mai 2007 mit der Hand auf den Tisch geschlagen hat, offenbar weil er den Aussagen der Beschwerdeführerin keinen Glauben schenkte. Ein solches Verhalten ist wohl als eher ungebührlich zu qualifizieren. Um als disziplinarrechtlich relevante Pflichtverletzung betrachtet zu werden, fehlt diesem Verhalten unter den vorliegenden Umständen (gleichzeitige Anwesenheit eines Verteidigers und mehrerer anderer Personen) jedoch die erforderliche Intensität und Wirkung. Zudem hat die Beschwerdeführerin nicht geltend gemacht, inwiefern sie durch das Verhalten bei der Zeugenaussage beeinträchtigt worden sei (E. 2.1).

Dem Einvernahmeprotokoll vom 15. Mai 2007 sind keine Anhaltspunkte zu entnehmen, welche für die Vorbringen der Beschwerdeführerin sprechen. Der Beschwerdegegner hat zwar bestätigt, der Verteidiger habe die Protokollierung des Textes „der Untersuchungsrichter schlägt mit der Hand auf den Tisch und stellt sich bedrohend hin vor die Zeugin“, verlangt. Festzustellen ist jedoch, dass die Beschwerdeführerin das Protokoll nach den umstrittenen Vorfällen vorbehaltlos unterschrieben hat und nicht geltend macht, sie sei zu dieser Unterschrift genötigt worden. Es hätte ihr deshalb freigestanden, der Unterschrift eine entsprechende Bemerkung im Protokoll anzufügen. Nachdem dies nicht der Fall ist, wurde das Protokoll von der Beschwerdeführerin offenbar ohne Willensmangel als richtig anerkannt; eine nachträgliche Abänderung des Protokolls ist daher nicht möglich. Der Verteidiger sah sich offenbar ebenfalls nicht veranlasst, irgendwelche Rügen oder Bemerkungen im Protokoll anbringen zu lassen. An seinem Protokollierungsantrag hielt er anscheinend nicht mehr fest, nachdem ihm der Beschwerdegegner erklärt hatte, er sei wegen der Rückenschmerzen aufgestanden. Die Begründung des Beschwerdegegners erschien dem Verteidiger offenbar plausibel und er sah rückblickend dessen Verhalten entgegen seiner ursprünglichen Einschätzung nicht mehr als bedrohlich an; andernfalls hätte er als Verteidiger des Beschuldigten ohne Zweifel eine Zeugenbeeinflussung oder Drohung im Protokoll vermerken lassen. Wäre dies nicht erfolgt, so hätte er im Interesse einer wirksamen Verteidigung eine entsprechende Beschwerde erheben müssen. Nachdem der Verteidiger auf eine solche Protokollierung bzw. eine Beschwerde verzichtete, ist davon auszugehen, dass das Verhalten des Beschwerdegegners rechtlich korrekt war. Diese Einschätzung deckt sich mit den Schreiben der Protokollführerinnen vom 21. Juni 2007, welche die Vorwürfe der Beschwerdeführerin dementieren. Die Beschwerdeführerin hat zudem nicht substantiiert dargelegt, inwiefern die angeblich bedrohliche Haltung oder das angebliche Ausrasten des Beschwerdegegners sie in ihrer Zeugenaussage beeinflusst habe. Die Beschwerde erweist sich somit auch in diesem Punkt als unbegründet, weshalb von der Einholung der beantragten Stellungnahmen abgesehen werden kann (E. 2.2, Hervorhebungen durch mich).

Der bei der Einvernahme anwesende Verteidiger, der nicht der Anwalt der Zeugin war und nicht ihre Interessen vertrat, wurde offenbar als einziger Anwesender nicht angehört. Die “Entschuldigung” für diesen schwachen Entscheid lieferte das Bundesstrafgericht in E. 1.1 gleich mit:

Nach dem allgemeinen Verständnis räumen Aufsichtsbeschwerden keinen Anspruch auf justizmässige Behandlung ein (BGE 121 I 87, 90 E. 1a mit Hinweisen; BGE 121 I 42, 45 E. 2a).