Vom Sinn kurzer Rechtsmittelfristen

In einem heute online gestellten Entscheid des Bundesgerichts (1P.777/2005 vom 23.01.2006) wurde der Beschwerdeführer selbst vom Leitenden Staatsanwalt unterstützt, blieb aber dennoch erfolglos. Der Beschwerdeführer hatte innert der gesetzlichen Frist (§ 321 StPO/ZH) vorsorglich Einsprache gegen einen Strafbefehl erhoben, ohne sie mit Abänderungsanträgen zu verbinden. Diese lieferte er nach Ablauf der Einsprachefrist nach.

Der Beschwerdeführer musste angesichts des klaren Wortlauts des Gesetzes und den strengen Anforderungen an das Vertrauensprinzip (Praxis zum frühreren Recht war offenbar grosszügiger). Die letzte Erwägung des Bundesgerichts zeigt aber, dass eine etwas grosszügigere Praxis wohl doch nicht ganz falsch wäre, zumal der Anwalt des Beschwerdeführers die Akten erst drei Tage vor Ablauf der Einsprachfrist erhielt:

An diesem Ergebnis ändert auch der Umstand nichts, dass der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers die Akten trotz frühzeitigem Gesuch erst am 28. Juni 2005 zur Einsicht erhielt. Es ist nicht zu beanstanden, wenn das Obergericht eine Erhebung der Abänderungsanträge bis zum Ablauf der Frist als zumutbar erachtet hat. Folglich hatte der Rechtsbeistand desBeschwerdeführers keine hinreichenden Gründe, sich darauf zu verlassen, dass er die Abänderungsanträge später nachreichen könne (E. 3.3).

Das war wohl auch dem Leitenden Staatsanwalt etwas knapp, für den die gleiche Frist von zehn Tagen auch gilt und der im Gegensatz zu den Gerichten weiss, wie schwierig es bisweilen ist, solche Fristen einhalten zu können. Drei in der Regel längst verplante Tage für das Aktenstudium, die Analyse der Chancen und Risiken, die Besprechung mit dem Klienten, der die drei Tage möglicherweise auch längst verplant hat, und die Entscheidung über die zu stellenden Abänderungsanträge können da schlicht und einfach zu kurz sein. Aber das ist ja mit der Sinn der kurzen Fristen.