Vom sinnfreien Umgang mit dem Haftgrund der Kollusionsgefahr

Der beliebteste Haftgrund in der Schweiz ist zweifellos die Kollusionsgefahr. Damit kommen die Strafbehörden praktisch immer durch, obwohl die befürchteten Kollusionshandlungen meistens bloss theoretischer Natur sind, die zudem selbst dann nicht zum Ziel führen würden, wenn sie denn doch ergriffen würden.

In einem Strafverfahren gegen einen 77-jähirgen Treuhänder, der Kundengelder veruntreut haben soll, greift das Bundesgericht nun aber durch und ordnet die Haftentlassung an (BGer 7B_231/2025 vom 02.04.2025), u.a. mit folgendem Argument:

Im Weiteren stellt die Vorinstanz fest, dass der Beschwerdeführer über ein sehr grosses geschäftliches Beziehungsnetz verfügt. Bezüglich dieser übrigen Klienten erwägt die Vorinstanz zwar, der Beschwerdeführer könne diese darauf aufmerksam machen, dass durch eine Fortdauer der Untersuchungshaft die Wertstabilität ihrer Guthaben gefährdet würde, um sie so zu für ihn vorteilhaften Aussagen zu bewegen. Damit verfällt sie aber einem Zirkelschluss: Die für die Anordnung von Untersuchungshaft erforderliche Gefahr von Kollusionshandlungen kann sich nicht erst aus dem Umstand ergeben, dass sich die beschuldigte Person in Untersuchungshaft befindet. Vielmehr ist danach zu fragen, ob die ungestörte Sachverhaltsfeststellung gefährdet wird, wenn die beschuldigte Person in Freiheit bleibt. Kollusionsgefahr kann so von vornherein nicht begründet werden. Wie die Vorinstanz bei der Prüfung des Tatverdachts darlegt, hat der Beschwerdeführer mit dem mutmasslich veruntreuten Geld eigene Verpflichtungen bezahlt und hat nach eigenen Angaben weiterhin Schulden in der Höhe von über Fr. 1 Mio. Die Vorinstanz begründet nicht, weshalb es nahe läge, dass eine (ehemalige) Geschäftspartnerin oder ein (ehemaliger) Kunde des Beschwerdeführers bereit sein soll, zu dessen Gunsten falsche Aussagen zu machen oder diesen dabei zu unterstützen, seine finanzielle Lage – rückwirkend und wahrheitswidrig – besser darzustellen, um eine Ersatzfähigkeit vorzutäuschen. Obwohl theoretisch möglich, fehlt es auch in dieser Hinsicht an konkreten Anhaltspunkten. Dagegen spricht auch, dass der Beschwerdeführer nicht verdächtigt wird, Teil eines kriminellen Netzwerks zu sein, und dass er gemäss der Vorinstanz die wirtschaftlichen Abläufe in seiner Agentur als einziger überblickt hat (E. 4.4.6, Hervorhebungen durch mich).