Vom Strafvollzug direkt in die Auslieferungshaft
Der Präsident der Strafkammer des Bundesstrafgerichts hat anlässlich einer Haftanhörung einen auf den ersten Blick etwas merkwürdigen Entscheid getroffen, der einen Gefangenen im vorzeitigen Strafvollzug betrifft (SK.2006.16 vom 12.10.2006). Während der Vertreter der Bundesanwaltschaft die Fortführung des Strafvollzugs beantragte, forderte der Häftling seine Haftentlassung, weil die vorzeitig bereits verbüsste Strafe bereits in der Nähe der gegebenenfallse zu erwartenden Freiheitsstrafe kam.
Der Präsident teilte die Auffassung, die Fortsetzung des Strafvollzug sei unverhältnismässig:
Weiter andauernder vorzeitiger Strafvollzug ist unter diesen Umständen nicht mehr verhältnismässig. Der Angeklagte ist zu entlassen (E. 3, Hervorhebung durch mich).
In der Folge hat der Präsident dann aber die Strafanstalt dennoch angewiesen, mit der Entlassung zuzuwarten. Grund dafür ist, dass ein internationaler Haftbefehl aus Österreich vorliegt. Die Voraussetzungen für einen auslieferungsrechtlichen Freiheitsentzug waren erfüllt, so dass Auslieferungshaft anzuordnen war. Die drohende Auslieferung stellte den Präsidenten nun aber vor das nächste Problem: Die in der Schweiz ev. noch zu verbüssende Reststrafe musste noch sichergestellt werden. Dieses Problem löste der Präsident, indem er im Dispositiv festhielt:
Das Bundesamt für Justiz wird eingeladen, beim ersuchenden Staat die Zusicherung einzuholen, dass er den Angeklagten für das Verfahren vor Bundesstrafgericht sowie für den Strafvollzug rückliefert und die Rücklieferung nicht durch Vollzugsanordnungen gefährdet. Das Bundesamt wird zudem eingeladen, die Auslieferung nicht vor oder ohne eine solche Verpflichtung zu vollziehen.
Die nächste Frage taucht bereits auf: Wird die Auslieferungshaft an eine gegebenfalls zu verbüssende Strafe in der Schweiz angerechnet? Dies wird wiederum das Bundesstrafgericht entscheiden müssen, wo die Anklage hängig ist.
Bei der Rechtsmittelbelehrung stiess der Präsident an Grenzen:
Nach seinem Wortlaut sieht das Bundesrecht also kein Rechtsmittel gegen diesen Entscheid vor. Das schliesst nicht aus, dass das Bundesgericht durch Gesetzesanwendung per analogiam oder freie Rechtsfindung auf einen Rechtsbehelf einträte. Darüber kann in diesem Entscheid jedoch keine Belehrung erfolgen (E. 5).