Vom Wert der Rechtsprechung des Bundesgerichts

Heute ist wieder einmal ein Urteil des Bundesgerichts ins Netz gestellt worden, das es seit Jahren nicht mehr geben dürfte (1B_55/2007 vom 02.05.2007). Aus den kurzen Erwägungen des Bundesgerichts:

1.1 Aus Art. 29 Abs. 2 BV ergibt sich der Anspruch der Verfahrenspartei, in alle für den Entscheid wesentlichen Akten Einsicht zu nehmen und sich dazu zu äussern. Den Gerichten ist es nicht gestattet, einer Partei das Äusserungsrecht zu eingegangenen Stellungnahmen bzw. Vernehmlassungen der übrigen Verfahrensparteien, unteren Instanzen und weiteren Stellen abzuschneiden. Die Partei ist vom Gericht nicht nur über den Eingang dieser Eingaben zu orientieren; sie muss ausserdem die Möglichkeit zur Replik haben (zur Publikation vorgesehene Urteile des Bundesgerichts 1A.10/2006 vom 14. Dezember 2006, E. 2.1, und 1A.56/2006 vom 11. Januar 2007, E. 4).

1.2 Aus der angefochtenen Verfügung geht hervor, dass sich die Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich zum Gesuch des Beschwerdeführers vernehmen liess. Der Haftrichter des Bezirksgerichts Zürich liess diese Vernehmlassung vom 30. März 2007 dem Beschwerdeführer vor seinem Entscheid über das Gesuch um vorzeitigen Strafantritt nicht zur Kenntnisnahme zukommen. Damit nahm er dem Beschwerdeführer die Möglichkeit, sich allenfalls zu dieser Vernehmlassung zu äussern, und verletzte dessen Anspruch auf rechtliches Gehör.

Obwohl diese Praxis längst bekannt ist bzw. bekannt sein müsste, wird sie immer wieder verletzt (vgl. einen früheren Beitrag). Wieso eigentlich? Nimmt man die Rechtsprechung aus Lausanne nicht zur Kenntnis oder hofft man einfach, der Betroffene kenne sie nicht?