Von Amts wegen zu Unrecht
Das Kantonsgericht AR (ersinstanzliches Gericht) trat auf eine Anklage mangels örtlicher Zuständigkeit nicht ein. Die dagegen von der Staatsanwaltschaft geführte Beschwerde hiess das Obergericht AR gut. Dagegen wiederum führte der Beschuldigte Beschwerde an das Schweizerische Bundesgericht (BGer 1B_209/2016 vom 29.08.2016).
Er scheiterte gleich an zwei Hürden.
Formell hat er sein Rechtsschutzinteresse gegen den angefochtenen Zwischenentscheid nicht hinreichend begründet. ein Interesse an der Verfahrensverzögerung sei rechtlich nicht geschützt:
Es liegt zwar auf der Hand, dass der Beschwerdeführer ein faktisches Interesse an der Bestreitung der örtlichen Zuständigkeit der appenzellischen Straf- und Gerichtsbehörden hat, weil er dadurch das Verfahren gegen ihn zumindest verzögern kann. Dass er daran auch ein rechtlich geschütztes Interesse hat, ist dagegen keineswegs offensichtlich und wird vom Beschwerdeführer auch nicht ausgeführt. Auf die Beschwerde ist damit nicht einzutreten, weil der Beschwerdeführer unter Verletzung seiner gesetzlichen Begründungspflicht seine Beschwerdebefugnis nicht dargelegt hat (E. 1.2).
Ob das so klar ist, könnte man allerdings bezweifeln. Das Bundesgericht sichert dann aber auch noch mit Treu und Glauben ab:
Die letzte Möglichkeit für die Erhebung von Einwänden gegen die örtliche Zuständigkeit der Strafbehörden ist damit die Einsprache gegen den Strafbefehl (…). […]. Die örtliche Zuständigkeit wurde vom Kantonsgericht ohne entsprechenden Parteiantrag, von Amtes wegen und – nach den im Ergebnis zutreffenden Ausführungen des Obergerichts im angefochtenen Entscheid – zu Unrecht verneint. In dieser Konstellation kann der Beschwerdeführer den obergerichtlichen Entscheid nach Treu und Glauben nicht mit der Begründung anfechten, die Appenzeller Behörden seien für das Strafverfahren gegen ihn örtlich nicht zuständig, nachdem er selber solche Einwände vorher nie erhoben hat (E. 1.3, Hervorhebungen durch mich).
Bedeutet das nun, dass das Kantonsgericht seine Zuständigkeit gar nicht prüfen durfte oder ob es sie rechtsfehlerhaft geprüft hat? Ich bin der Meinung, dass ein Gericht seine örtliche Zuständigkeit immer prüfen muss, also auch dann, wenn die örtliche Zuständigkeit im Vorverfahren nie bestritten war. Alles andere würde bedeuten, dass die Staatsanwaltschaft die Zuständigkeit der Gerichte autonom bestimmen könnte.
Aufgrund von Art. 42 Abs. 3 der Strafprozessordnung können die von der Staatsanwaltschaft angerufenen Sachgerichte ihre örtliche Zuständigkeit in den allermeisten Fällen tatsächlich nicht mehr überprüfen. Dies kommt nur in (eher seltenen) Fällen wie dem obgenannten überhaupt in Frage, nämlich wenn die örtliche Zuständigkeit im Vorverfahren nie ein Thema war UND die verfahrensführende Staatsanwaltschaft durch ihre Untersuchungshandlungen keinen konkludenten Gerichtsstand begründet hat, welcher das angerufene Gericht bindet.