Von Aussagen in der Pause und lügenden Beschuldigten

Das Bundesgericht bestätigt eine Verurteilung, die teilweise auf einem (aufgezeichneten) Pausengespräch des Opfers mit seiner Rechtsbeiständin beruhte (BGer 6B_350/2011 vom 22.12.2011):

Der Beschwerdeführer rügt, die am 15. Januar 2008 während einer Befragungspause des Beschwerdegegners aufgenommene Videosequenz sei unverwertbar. Diesem sei vor der Pause versichert worden, er könne sich mit seiner Prozessbeiständin besprechen, ohne dass eine Tonaufnahme erfolge. Es handle sich bei diesen Aufnahmen um eine Überwachung mit technischen Überwachungsgeräten, die einer gerichtlichen Genehmigung bedürften. Da eine solche nicht vorliege, seien die Erkenntnisse hieraus nicht verwertbar (…) (E. 1.1).

Das Bundesgericht trat auf die Rüge aus formellen Gründen leider nicht ein:

Auf diese erstmals im bundesgerichtlichen Verfahren vorgebrachte Rüge des Beschwerdeführers ist nicht einzutreten (Art. 99 Abs. 2 BGG). Sein Rechtsvertreter machte die Unverwertbarkeit der auf DVD aufgezeichneten Einvernahme und der darauf beruhenden Aussagen im vorinstanzlichen Verfahren nicht geltend, obwohl die erste Instanz darauf abgestellt hatte (erstinstanzliches Urteil, S. 19). Der Beschwerdeführer nahm in einer mehrseitigen Stellungnahme zur Videobefragung gar explizit und ausführlich Bezug auf die während der Einvernahmepausen aufgezeichneten Aussagen, ohne deren Unverwertbarkeit zu beantragen (act. GD 20 der Vorakten). Sein Vorbringen ist daher verspätet (vgl. Urteil 6B_1057/2010 vom 26. April 2011 E. 3) (E. 1.2).

Die übrigen Erwägungen zeigen eindrücklich, wie schwierig es ist, vor Bundesgericht Fragen der Beweiswürdigung erfolgreich aufzuwerfen. Sie zeigen auch, wie Indizien erfolgreich gegen den Beschuldigten verwendet werden können. Vor allem mit einem Indiz, das die Vorinstanz würdigte, habe ich aber wirklich Mühe:

Demgegenüber sei der Beschwerdeführer ein gut situierter Mann, für den – auch beruflich – viel auf dem Spiel stehe, falls er verurteilt würde. Daher habe er ein erhebliches Interesse an falschen Aussagen (E. 2.1.6).

Dazu das Bundesgericht:

Umgekehrt steht für den Beschwerdeführer bei einer Verurteilung viel auf dem Spiel, worauf die Vorinstanz zutreffend hinweist, weshalb ihm ein erhebliches Interesse an falschen Aussagen zukommt. Obwohl seine Aussagen im Rahmen der verschiedenen Befragungen konstant waren, blieben verschiedene Handlungsmotive ungeklärt oder widersprüchlich, so im Zusammenhang mit der SMS an die Mutter des Beschwerdegegners oder mit den Zahlungen von Fr. 50.– bzw. Fr. 70.– an ihn. Die vorinstanzliche Feststellung, dass der Beschwerdeführer generell versuchte, die ihn belastenden Momente abzuschwächen, ist ebensowenig zu beanstanden wie die Schlussfolgerung, wonach aufgrund der Indizien und Umstände seine Aussagen nicht als glaubhaft anzusehen sind (E. 2.7, Hervorhebungen durch mich).

Wenn das der Massstab ist, dann frage ich mich, wozu sich ein Beschuldigter überhaupt verteidigen soll.