Von der Anklage zum Urteilsdispositiv

Das Bundesgericht hält in einem heute publizierten Urteil fest, dass das Urteilsdispositiv alle Anklagepunkte enthalten muss (BGer 6B_669/2013 vom 13.11.20013). Was auf den ersten Blick an sich selbstvertändlich ist, wirft auf den zweiten Blick aber nicht leicht zu beantwortende Fragen auf. Wird beispielsweise bandenmässige Tatbegehung zur Anklage gebracht, muss die Anklage die Einzelakte bekanntlich hinreichend klar umschreiben, um dem Anklagegrundsatz zu genügen. Erweisen sich die Einzelakte dann aber teilweise als unbewiesen, erfolgen gemäss Bundesgericht dennoch keine (Teil-)Freisprüche, wenn das Kollektivdelikt immer noch erfüllt ist:

Im Falle von Bandenmässigkeit, wo schon das Gesetz strafschärfend auf eine Deliktsmehrheit Bezug nimmt, werden mehrere selbstständige Delikte unter rechtlichen Gesichtspunkten zu einer Einheit verbunden (…). Werden die Einzelakte in der Anklageschrift in einer Ziffer zusammengefasst, folgt daraus, dass selbst dort, wo einzelne Handlungen nicht nachgewiesen werden können, formell keine (Teil-) Freisprüche erfolgen, sofern das Kollektivdelikt immer noch erfüllt ist. Bei dieser Sachlage ergeht ein einziger Schuldspruch für die Deliktseinheit, allenfalls lediglich “in einem bestimmten Umfang”, was jedoch im Dispositiv nicht erwähnt wird (zum Ganzen: Urteil 6P.23/2000 vom 31. Juli 2000 E. 1f/aa) [E. 2.4].

Im konkreten Fall hatte der Beschwerdeführer erfolglos gerügt, dass die Vorinstanz  nicht alle in der Anklageschrift umschriebenen Handlungen einzeln im Urteilsdispositiv aufführte. Gestützt auf das Gesagte war dies gemäss Bundesgericht aber auch nicht nötig:

Weil [die Vorinstanz] den Beschwerdeführer wegen mengen- und bandenmässig qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz schuldig erklärt, braucht sie nicht auszuführen, welcher Sachverhalt unter welchen Absatz von Art. 19 Ziff. 1 aBetmG subsumiert wird. Bezüglich der Geldwäscherei wird dem Beschwerdeführer in der Anklageschrift keine Bandenmässigkeit, sondern lediglich mehrfache Begehung vorgeworfen. Da die Vorinstanz alle Unterziffern als erfüllt erachtet, erfolgt diesbezüglich kein Freispruch, sondern ein Schuldspruch wegen mehrfacher Geldwäscherei (E. 2.4).

Diese Lösung überzeugt mich nur teilweise. Wenn etwa aus dem erstinstanzlichen Dispositiv nicht hervorgeht, welche Einzelakte der Verurteilung zugrunde liegen, muss zur Bestimmung des Prozessgegenstands im Rechtsmittelverfahren auf die Urteilsbegründung zurückgegriffen werden. Auch im Revisionsverfahren könnten damit erhebliche Schwierigkeiten verbunden sein. Ich verstehe daher nicht, wieso man nicht wenigstens verlangt, dass diejenigen Einzelakte im Urteilsdispositiv zu umschreiben sind, die zur Verurteilung geführt haben.