Vorbefasste Oberrichter?

Kassiert das Bundesgericht ein Berufungsurteil, kann das Berufungsgericht bei der Neubeurteilung wieder in derselben Besetzung entscheiden. Dies gilt nach einem aktuellen Urteil des Bundesgerichts auch dann, wenn das erste Berufungsurteil wegen Verletzung der Unschuldsvermutung kassiert worden war (BGer 7B_640/2023 vom 22.02.2024).

Der Fall ist insofern speziell, als sich die Verletzung der Unschuldsvermutung auf Delikte bezog, welche bereits verjährt waren. Das Berufungsgericht nahm aber für diese Tathandlungen trotz Verjährung eine Beweiswürdigung zuungunsten des Beschwerdeführers vor (vgl. dazu das kassierte Urteil BGer 6B_472/2021 vom 27.04.2023 E. 3.2). Dass das für die Neubeurteilung in gleicher Besetzung nichts Gutes erahnen liess, erscheint mir als verständlich. Das Bundesgericht weist dennoch ab, formuliert dies aber leicht verfänglich:

Dass das Bundesgericht in seinem Urteil 6B_472/2021 vom 27. April 2023 das Verfahren an das Berufungsgericht zurückwies zum Erlass eines Urteils, das keine Verletzung der Unschuldsvermutung mehr erkennen lässt, begründet keinen Ausstandsgrund im Sinne der oben (E. 4.4) dargelegten Praxis (E. 5.2). 

Das könnte man auch so verstehen: Die Unschuldsvermutung ist zwar verletzt, aber das darf beim neuen Urteil nicht mehr erkennbar sein.