Vorbefasster Gutachter
Gestützt auf ein forensisches Gutachten bzw. Ergänzungsgutachten wurde eine vorher offenbar nicht tatverdächtige Person zum Beschuldigten. Seine Versuche die Verwertbarkeit des Gutachtens infrage zu stellen, u.a. auch über die Vorbefassung des Gutachters, scheiterten vorerst vor Bundesgericht (BGer 1B_141/2017 vom 10.10.2017, Fünferbesetzung).
Das Urteil wirft zahlreiche Fragen auch im Zusammenhang mit den Teilnahmerechten im Begutachtungsprozess auf. Im Vordergrund stand aber die Frage, ob ein Gutachten, das einen Tatverdacht gegen eine vorher nicht beschuldigte Person lenkt, faktisch nicht eine Strafanzeige darstellt und damit eine Vorbefassung begründet. Das Bundesgericht verneint dies für alle Fälle, in denen ein Gutachter nach Art. 184 StPO bestellt wurde:
Nach der Rechtsprechung kann eine den Ausstand begründende Vorbefassung (i.S.v. Art. 56 lit. b StPO) insbesondere vorliegen, wenn der als forensischer technischer Experte bestellte Sachverständige zuvor einen informellen “Vorbericht” zum untersuchten Unfallhergang verfasst hat, worin er sich – ohne nach den Vorschriften von Art. 184 StPO förmlich bestellt und über seine Pflichten und die Straffolgen bei falschem Gutachten belehrt worden zu sein – in der Sache bereits weitgehend festlegte (Urteil 1B_196/2015 vom 17. Mai 2016 E. 4.4). Demgegenüber steht nichts entgegen, einen gesetzeskonform bestellten forensischen Experten über den gleichen Sachverhalt mehrmals als Gutachter zu befragen bzw. auch für ergänzende oder vertiefende Arbeiten als Sachverständigen beizuziehen. Er gilt nach einer ersten Äusserung als Experte in der gleichen Sache nicht bereits als unzulässig vorbefasst (Urteile 1B_196/2015 E. 4.4.4; 1B_45/2015 vom 29. April 2015 E. 2.3; 1B_362/2015 vom 10. Dezember 2015 E. 3.2.1; vgl. MARKUS BOOG, in: Basler Kommentar StPO, 2. Aufl. 2014, Art. 56 N. 28; MARIANNE HEER, BSK StPO, Art. 183 N. 31; s.a. Art. 189 StPO und BGE 132 V 93 E. 7.2.2 S. 110 f.) [E. 4.4].
Die Art der Bestellung hat doch aber mit einer möglichen Vorbefassung nichts zu tun. Entscheidend ist doch entsprechend dem Argument des Beschwerdeführers, dass das Gutachten faktisch zur Strafanzeige wurde. Das Bundesgericht ist aber anderer Meinung:
Dass ein forensischer Gutachter (im Rahmen einer zunächst gegen “unbekannt” geführten Strafuntersuchung) sachbezogen und in den Grenzen seines amtlichen Mandates auf Verhaltensweisen von verdächtigen mitverantwortlichen Personen hinweist, begründet keinen Ausstandsgrund (E. 5.2).
Nicht geklärt ist damit, wie es sich in einem solchen Fall mit den Parteirechten im Begutachtungsprozess verhält. Vielleicht erweist sich das Gutachten in den Augen des Sachrichters dann doch noch als unverwertbar.