Vorläufige Festnahme durch Privatperson v. Freiheitsberaubung

In Luzern wurde ein Ladendetektiv u.a. wegen Freiheitsberaubung und Entführung (Art. 183 Ziff. 1 StGB) sowie Amtsanmassung (Art. 287 StGB) verurteilt. Das Bundesgericht weist seine Beschwerde in Fünferbesetzung ab (BGer 6B_358/2020 vom 07.07.2021). Der Detektiv hatte sich im Zusammenhang mit der Festnahme eines Ladendiebs u.a. auf Art. 218 StPO berufen, den das Bundesgericht als “ausserstrafgesetzlichen Rechtfertigungsgrund der gesetzlich erlaubten Handlung” i.S.v. Art. 14 StGB behandelt. Die entsprechenden Voraussetzungen waren aber “augenscheinlich und offenkundig klarerweise nicht” erfüllt:

Art. 218 StPO bildet einen ausserstrafgesetzlichen Rechtfertigungsgrund der gesetzlich erlaubten Handlung im Sinne von Art. 14 StGB, welcher das mit der Festnahme verbundene tatbestandsmässige Verhalten der Privaten rechtfertigt, sofern es den gesetzlichen Anforderungen, namentlich den Grundsätzen der Subsidiarität und der Proportionalität, entspricht. Wer in Missachtung der gesetzlichen Voraussetzungen als Privatperson eine Festnahme vornimmt, erfüllt objektiv den Tatbestand der Amtsanmassung und der Freiheitsberaubung. Das Festnahmerecht der privaten Sicherheitsunternehmen geht nicht über die entsprechenden Rechte einer jeden Privatperson hinaus (ULRICH WEDER, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung StPO, 3. Aufl. 2020, NN. 2 und 3a zu Art. 218 StPO). Die unter dem Titel von Art. 218 StPO vorgetragene Argumentation ist unbehelflich. Art. 218 Abs. 1 lit. a StPO setzt voraus, dass die Person bei einem Verbrechen oder Vergehen auf frischer Tat ertappt oder unmittelbar nach der Begehung einer solchen Tat angetroffen wurde. Weder sind Umstände dargelegt oder ersichtlich, die einen Verdacht auf ein “Vergehen oder Verbrechen” auch nur als möglich hätten hegen lassen (ob der Geschädigte “unmittelbar” nach der Begehung einer solchen Tat angetroffen wurde, kann offen bleiben), noch wurde verhältnismässige Gewalt angewendet (Art. 218 Abs. 2 i.V.m. Art. 200 StPO), noch wurde der Geschädigte “so rasch als möglich” der Polizei übergeben, was insbesondere erfordert hätte, die Polizei so rasch wie möglich zu informieren und die Person auf den nächsten Polizeiposten zu bringen (WEDER, a.a.O., N. 17). Auf das Festnahmerecht können sich Private nur berufen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, der Wert oder der Schaden seien nicht bloss geringfügig (Botschaft a.a.O.). Auch das war nicht der Fall: Solche Anhaltspunkte bestanden in casu augenscheinlich und offenkundig klarerweise nicht. Es wird nirgends dargelegt, dass der Verdacht auf eine Entwendung eines Parfums in der Preisklasse von über Fr. 300.– bestanden oder nahe gelegen hätte. Auf die rechtfertigenden Vorbringen zum privaten Festnahmerecht gemäss Art. 218 StPO (Beschwerde N. 25 ff.) ist daher nicht weiter einzutreten (E. 4.1)..