Vorsicht mit Gefährdungsmeldungen!

Wer in einer Gefährdungsmeldung an die KESB behauptet, eine Mutter akzeptiere ihren an Trisomie 21 erkrankten Sohn nicht und fördere ihn nicht seinen Bedürfnissen entsprechend, macht sich unter Umständen der üblen Nachrede oder der Verleumdung strafbar. Das Bundesgericht kassiert die Nichtanhandnahmeverfügung der Strafbehörden des Kantons SZ (BGer 7B_97/2023 vom 13.11.2024).

Die Aufhebung erfolgte, obwohl das Bundesgericht ausdrücklich festhält, die Rechtmässigkeit der Nichtanhandnahme sei nicht geklärt:

Die Sache ist zur weiteren Prüfung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Diese wird zu berücksichtigten haben, dass die Strafbarkeit bei der üblen Nachrede entfällt, wenn den beiden Beschuldigten nach Art. 173 Ziff. 2 StGB der Entlastungs- bzw. Gutglaubensbeweis gelingt, was bei klarer Beweislage ohne Eröffnung eines Strafverfahrens angenommen werden kann (vgl. Urteil 6B_522/2015 vom 22. Oktober 2015 E. 3.5). Sodann wird die Vorinstanz im Hinblick auf die angezeigte Verleumdung nach Art. 174 Ziff. 1 StGB zu berücksichtigten haben, dass dieser Tatbestand nur erfüllt ist, wenn der Täter oder die Täterin wider besseres Wissen gehandelt hat, und dass für die Eröffnung eines Strafverfahrens entsprechende Hinweise bestehen müssen. Dabei wird sie insbesondere die bereits durchgeführten Einvernahmen berücksichtigen (E. 3.4). 

Materiell führt das Bundesgericht aus:

Die Vorinstanz verkennt, dass auch eine sachlich formulierte und “übliche Darstellungen von Bedenken” nicht übersteigende Gefährdungsmeldung die Beschwerdeführerin in ihrer Ehre tangieren kann. Abzustellen ist auf die Bedeutung der streitigen Äusserungen, nicht (nur) auf die Ausdrucksweise, in der sie übermittelt wurden. Zu prüfen ist demnach der Sinngehalt der in der Gefährdungsmeldung gemachten Ausführungen der beiden Beschuldigten. 

Aus den Vorakten geht hervor, dass die Beschuldigten mit der Gefährdungsmeldung vom 23. November 2021 der KESB im Wesentlichen was folgt mitteilten: Die Beschwerdeführerin habe nie akzeptiert, ein Kind mit Trisomie 21 zu haben. Zu Beginn habe sie von ihm gesprochen wie von einem Monster. D. werde ihr gegenüber zuweilen fast gewalttätig, als wolle er ihr das Spiegelbild des mütterlichen Verhaltens vor Augen führen. Obschon D. meistens “auf das Töpfchen” gehen könne, ziehe ihm seine Mutter 24 Stunden am Tag Windeln an. Sie sage, sie habe weder die Zeit noch die Nerven, ihm keine Windeln anzuziehen. Sie habe seit ihrer Ankunft in der Schweiz nicht gearbeitet. Er esse hauptsächlich “Grissini” und Pommes frites (“frites”) und werde nur im Kinderwagen oder im Auto transportiert. Er verbringe mehrere Stunden am Tag alleine, mit dem Telefon oder dem Tablet seiner Mutter. Diese sei unfähig, vor 10.00 Uhr aufzustehen. Sie brauche ihn als Druckmittel in ihrem Scheidungsverfahren (“sa mère l’utilise comme monnaie d’échange dans leur procédure de divorce”). 

Wie die Beschwerdeführerin zutreffend vorbringt, sind diese Ausführungen insgesamt geeignet, ihren Ruf im “menschlich-sittlichen” Bereich zu verletzen (vgl. Urteile 6B_506/2010 vom 21. Oktober 2010 E. 3.2 sowie 6S.234/2006 vom 23. Oktober 2006 E. 3, worin das Bundesgericht die Vorwürfe des Beschuldigten, die seine Frau als unehrlich [“malhonnête”] und eine schlechte Mutter darstellten, als ehrverletzend im Sinne von Art. 173 Abs. 1 StGB erachtete). Die Äusserungen der Beschuldigten sind somit – entgegen der Auffassung der Vorinstanz – grundsätzlich ehrverletzend. Damit kann offenbleiben, ob die Beschuldigten der Beschwerdeführerin mit ihrer Gefährdungsmeldung auch strafbares Verhalten vorgeworfen haben (E. 3.4, Hervorhebungen durch mich).