Vorstrafenlosigkeit nicht mehr zwingend strafmindernd

Das Bundesgericht ändert (bzw. klärt) seine Praxis, wonach das Fehlen einer Vorstrafe zwingend einen Strafminderungsgrund darstellt (BGE 6B_390/2009 vom 14.01.2010; zur Publikation in der amtlichen Sammlung vorgesehen). In seinem Entscheid weist das Bundesgericht auf nicht publizierte Urteile hin, bei denen es von der publizierten Praxis abgewichen ist (BGer 6S.85/2006 vom 27.06.2006 E. 2.4; 6S.467/2004 vom 11.02.2005 E. 2.2.1; 6S.62/2001 vom 14.06.2001 E. 1d; 6S.684/2000 vom 22.03.2001 E. 3c/cc).

Mit dem neuen Urteil sollte die uneinheitliche Praxis ein Ende haben. Neu ist nicht schematisch zu entscheiden, sondern aufgrund der Umstände des Einzelfalls:

Unter diesen Umständen kann an der bisherigen Rechtsprechung nicht festgehalten werden. In der Bevölkerung hat es als Normalfall zu gelten, (kriminell) nicht vorbestraft zu sein. Die Vorstrafenlosigkeit ist deshalb neutral zu behandeln, also bei der Strafzumessung nicht zwingend strafmindernd zu berücksichtigen. Dies schliesst nicht aus, sie ausnahmsweise und im Einzelfall in die Gesamtbeurteilung der Täterpersönlichkeit einzubeziehen, was sich allenfalls strafmindernd auswirken kann. Vorausgesetzt ist jedoch, dass die Straffreiheit auf eine aussergewöhnliche Gesetzestreue hinweist. Eine solche darf wegen der Gefahr ungleicher Behandlung nicht leichthin angenommen werden, sondern hat sich auf besondere Umstände zu beschränken. Zu denken ist beispielsweise an den Berufschauffeur, der sich als Ersttäter wegen eines Strassenverkehrsdeliktes strafrechtlich zu verantworten hat, obschon er seit vielen Jahren täglich mit seinem Fahrzeug unterwegs ist (E. 2.6.4).

Die Sache muss trotzdem neu beurteilt werden, weil die Vorinstanz ihre Begründungspflicht (Art. 50 StGB) verletzt hatte:

Die Vorinstanz spricht sowohl für die qualifizierte Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz als auch die banden- und gewerbsmässige Geldwäscherei jeweils eine Freiheitsstrafe aus. Dabei listet sie die einzelnen Strafzumessungskriterien zur qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz auf. Über die Bemessung der Freiheitsstrafe für die Geldwäscherei schweigt sie sich gänzlich aus. Aus ihren Erwägungen geht nicht hervor, dass sie zumindest gedanklich eine Einsatzstrafe für das schwerste Delikt festsetzt und diese erhöht. Die Strafzumessung muss nachvollziehbar und in abschätzbaren Teilschritten dargelegt sein (Urteil 6S.378/2002 vom 11. Februar 2003 E. 3.2). Indem die Vorinstanz für mehrere Delikte pauschal eine Freiheitsstrafe ausspricht, ohne ihre Überlegungen darzulegen, welche zum Ergebnis geführt haben, kann nicht geprüft werden, ob ihr Vorgehen bundesrechtskonform ist. Die Vorinstanz verletzt damit die in Art. 50 StGB statuierte Begründungspflicht. Das Urteil ist auch aus diesem Grund aufzuheben und zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen (E. 2.3.2).

In einem Punkt erwies sich das angefochtene Urteil auch als willkürlich. Die Begründung könnte den wohl unzulässigen Schluss zulassen, dass Art. 9 BV einen selbständigen Rügegrund darstellt:

Aus dem Resultat schliesst die a.o. Generalprokuratorin dass die “unbekannte Teilmenge” nicht mehr als 70’000 Pillen betragen habe. Ob die “unbekannte Teilmenge” nur die Gehilfenschaftshandlungen der Beschwerdeführerin oder die gesamte gehandelte Menge betrifft, gibt sie nicht an. Weil die Berechnung der a.o. Generalprokuratorin nicht logisch erscheint und die Vorinstanz ohne weitere Erläuterungen darauf abstellt, verstossen ihre Feststellungen zu der von der Beschwerdeführerin gehandelten Anzahl Thaipillen gegen das Willkürverbot nach Art. 9 BV (E. 1.7.2).