Vorzeitiges Akteneinsichtsrecht der Privatklägerin

Dass auch die Privatklägerschaft grundsätzlich ein Recht auf Akteneinsicht hat, ist bekannt und stellt einen nicht zu unterschätzenden Anreiz das, einen Streit auf die strafrechtliche Schiene zu bringen. In einem aktuellen Fall aus dem Kanton Zürich hat sich ein Beschuldigter gegen die Bewilligung der Akteneinsicht der Privatklägerin zur Wehr gesetzt. Er machte u.a. geltend, dass die Organvertreter (?) der Privatklägerin noch nicht befragt wurden. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab (BGer 7B_214/2023 vom 08.07.2024).

Art. 101 Abs. 1 StPO schliesst nicht aus, dass die Akteneinsicht vor der Einvernahme der beschuldigten Person und Erhebung der wichtigsten Beweise gewährt wird; die Staatsanwaltschaft bestimmt den Zeitpunkt. Dass sie ihr Ermessen überschritten hätte, ist nicht ersichtlich. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers war sie auch nicht an ihre fast ein Jahr zuvor mit E-Mail vom 10. Juni 2021 gegebene Auskunft gebunden (zum Schutz des Vertrauens auf die Richtigkeit behördlicher Auskünfte und Zusicherungen siehe etwa BGE 148 II 233 E. 5.5.1 mit Hinweisen).  

Zudem stehen der Gewährung der Akteneinsicht, wie die Vorinstanz zutreffend festhält, keine überwiegenden Interessen des Beschwerdeführers entgegen. Dass eine Verletzung des Anwaltsgeheimnisses droht, legt der Beschwerdeführer mit seinen blossen Vermutungen nicht hinreichend dar, und sein Recht auf Privatsphäre rechtfertigt im vorliegenden Fall keine Einschränkung des Akteneinsichtsrechts der Beschwerdegegnerin. Es ist somit keine Bundesrechtsverletzung auszumachen (E. 3.3). 

Dass der Beschwerdeführer auch gerügt hatte, der Organvertreter der Privatklägerin sei noch nicht einvernommen worden und den Akten liessen sich Hinweise auf bevorstehende nicht parteiöffentliche Einvernahmen und Durchsuchungen entnehmen, hat das Bundesgericht nicht adressiert. Was sich der Staatsanwalt dabei überlegt hat, der Privatklägerin unter diesen Voraussetzungen Akteneinsicht zu gewähren, lässt sich dem Entscheid nicht entnehmen. Die Wahrheitsfindung ist aber eben nur dann gefährdet, wenn die Beschuldigten vor ihrer Einvernahme Akteneinsicht kriegen würden.