W.A. v. $witzerland
Die Schweiz bzw. das Bundesgericht (BGE 7B_800/2023 vom 28.12.2023, Publikation in der AS vorgesehen) scheint zu glauben, einen Strafgefangenen, der in Strassburg obsiegt hatte, nicht zu den üblichen Ansätzen entschädigen zu müssen, weil er bereits vom EGMR mit CHF 40,000.00 entschädigt worden sei (EGMR, W.A. gegen die Schweiz, Urteil vom 02.11.2021, Nr. 38958/16; einstimmig, mit Zünd occurring):
Art. 415 StPO, auf welchen Art. 128 Abs. 3 BGG „sinngemäss“ verweist, ist nur soweit anwendbar, als die darin thematisierten Folgen eines neuen Entscheids Verfahrensgegenstand des bundesgerichtlichen Revisionsverfahrens bilden. Betroffen sind ausschliesslich Ansprüche, über welche der EGMR nicht entschieden hat. Dies wurde dem Beschwerdeführer bereits im Verfahren 6F_5/2022 vom 2. März 2022 beschieden. Es fehlt an einer innerstaatlichen Rechtsgrundlage für eine zusätzliche finanzielle Entschädigung für den zu Unrecht erlittenen Freiheitsentzug, nachdem der EGMR eine solche beurteilt und zugesprochen hat. Insoweit ist die Vorinstanz in Nachachtung der Bindungswirkung eines bundesgerichtlichen Rückweisungsentscheids richtigerweise davon ausgegangen, die betreffende Entschädigung sei vor ihr kein Thema mehr. Das vorinstanzliche Nichteintreten auf die Entschädigungsforderung verletzt damit weder Bundesrecht noch den Anspruch auf rechtliches Gehör. Die Beschwerde ist abzuweisen (E. 2.4.2).
Ich glaube nicht, dass der EGMR den Beschwerdeführer für seine unrechtmässige Haft entschädigt hat. We’ll see.
So wie ich das verstehe wurde W.A mit 40’000 EUR (nicht CHF) entschädigt wegen der unrechtmässigen Haft entschädigt. Die 40’000 EUR waren ein Angebot der Schweiz für (und nur für) die nicht-finanziellen Schäden (non-pecuniary demage). Soweit ich weiss, kann am Anfang des Verfahrens vor dem EGMR (bevor der Schriftenwechsel eingeleitet wird) eine gütliche Einigung zwischen den Parteien zustande kommen (falls eine Einigung zustande kommt, wird die Beschwerde unzulässig). Ich vermute dort hat die Schweiz W.A die 40k EUR angeboten, W.A jedoch lieber 100k CHF Entschädigung für die Haft haben wollte. Nachdem keine Einigung zustande kam, hat die Schweiz im Verfahren angegeben, dass sie 40k EUR zahlt, SOLLTE der EGMR zum Schluss kommen, dass die Haft die EKMR verletzt habe (also nur die Haft selber). Der EGMR kam zum Schluss, dass die Haft die EKMR verletzt, ergo die Schweiz ihn aufgrund der Haft zu entschädigen hat.
Somit waren die 40k EUR tatsächlich als Entschädigung für die Haft.
W.A wollte zusätzlich 18’525.80 CHF (16’435.80 CHF für Anwaltskosten und 2’090 CHF für Übersetzungskosten). Die Schweiz meinte, dass 2’700 EUR genügend seien um die Anwaltskosten zu decken, da die Fragestellungen bereits vor den Schweizerischen Gerichten geklärt wurden (= W.A kann nun mit dem EGMR-Entscheid eine Revision der BGer-Entscheide verlangen und dort werden ihm dann die Anwaltskosten für Schweizer Verfahren zurückerstattet). Das EGMR befand, dass 6’000 EUR genügend seien um die Kosten vor dem EGMR zu decken. Zusätzlich müssen für allfällige Steuern draufgezahlt werden, also er die 46’000 EUR „netto“ erhält; zumindest sollte die Entschädigung von 40k EUR nicht steuerpflichtig sein.
@ Der Laie
Nach meiner Erfahrung mit der Abteilung ( Schweiz/Österreich) gibt man die Beschwerde ein, in der Regel werden Beschwerden aus nicht nachvollziehbaren Gründen für nicht zulässig erklärt, falls lange nichts kommt, dann sieht es gut aus und dann wird die Beschwerde dem Staat ohne Kommentar zugestellt. Es ergeht entweder eine Stellungnahme zu der Beschwerde, oder aber ein Schreiben vom Staat das man sich gütlich einigen möchte. So wie ich das mitbekommen habe, deutet die Schweiz stets an das sie sich vergleichen möchte. Vermute hier eine Art Guideline um die Reputation nicht zu schädigen. Es soll ein Budget geben. Nimmt die Gegenseite nicht an, dann stellt der EGMR die Stellungnahme der Schweiz der Gegenpartei zu und das Verfahren geht seinen Lauf. Meint, der Bf. kann dann noch einmal eine Replik machen. Irgendwann kommt dann ohne Mündlichkeit ein Entscheid zur Zulässigkeit und zur Begründetheit.
Ausnahmsweise und merkwürdiger weise wenn es PR Qualität hat, dann kommt auch eine Mündlichkeit zu stande.
Der Bereich der Litauen betreut, arbeitet etwas anders.
In der Schweiz sind Entschädigungen für immateriellen Schaden m.E. grundsätzlich nicht steuerpflichtig (Genugtuung), anders als zbs. in Litauen oder Lettland. Ich hatte einmal einen Fall, da wurde ein baltischer LKW Fahrer 7 Tage nur mit polizeilichem Haftbefehl inhaftiert und daraufhin nach StPO 429 entschädigt. Eigentlich hätte es aber StPO 431 seien sollen, da er klar rechtswidrig der Freiheit beraubt wurde. Die Steuerbehörde des Kantons Zürich wollte dann die 100 Fr. am Tag ( Fr. 700, sollte m.E. mehr gewesen sein) dann tatsächlich als Einkommen versteuern. Knackpunkt war die völlig laienhaft geschriebene Einstellungsverfügung der Stawa, die es nicht schaffte immateriellen Schaden von materiellen Schaden auf dem Papier zu trennen. Sowieso ein SMS- hafter Text gewesen. Nach einem Einspracheverfahren musste er dann keine Steuer darauf zahlen. In Lettland dann aber schon, da dort immaterieller Schaden grundsätzlich steuerpflichtig ist. Zum Glück nur zum Satz, gemäss dem damaligen Doppelbesteuerungsabkommen. Dort braucht man, wegen der GegendenWindpinkelnmentalität ja immer Geld für grandiose geopolitische Projekte. Krieg gegen Russland, dann China, ah ja, Trump, Burma usw…
Frieden sei mit euch