Wann wurde die DNA-Spur gelegt?
In einem Strafverfahren wurde eine DNA-Spur der beschuldigte Person zugerechnet. Beweismässig relevant war offenbar der Zeitpunkt, in dem die DNA-Spur gelegt worden war. Diese Frage wurde im Rahmen einer Beschwerde dem Bundesgericht vorgelegt, das sich dazu aber nicht selbständig äussert, sondern auf die offenbar überzeugende (willkürfreie) Begründung der Vorinstanz abstellt (BGer 6B_246/2023 vom 16.06.2023).
So seien am Fenster der Gästetoilette des Hauses Einbruchspuren und eine dem Beschwerdeführer zuzuordnende frische DNA-Spur festgestellt worden. Seine Erklärung dafür, wonach er im Juni 2018, mithin zwei Monate vor dem Brand, die Fenster eingestellt habe, überzeuge, zumal angesichts der Frische der Spur, nicht. Zudem habe er gemäss Aussage der Beschwerdegegnerin 2 am fraglichen Fenster nichts gemacht. Die vom Beschwerdeführer angeführte Stellungnahme des Institut für Rechtsmedizin (IRMZ) widerlege nicht, dass die sichergestellte DNA-Spur frisch gewesen sei (E. 2.1.2).
Jetzt würde natürlich interessieren, wie präzise ein Gutachten die Frische der Spur bestimmen kann. Ich habe nur herausgefunden, dass es schwierig sei. Für Hinweise bin ich dankbar.
Hier noch ein Schmankerl aus dem selben Entscheid:
Aufgrund der Beweislage kann keine Rede davon sein, dass der Beschwerdeführer von Anfang an zu Unrecht verdächtigt und die Ermittlungen auf ihn beschränkt worden wären (E. 2.2).
Bemerkenswert ist schliesslich, dass sich im Entscheid nicht ein einziger Artikel aus StGB oder StPO findet. Art. 9 BV und ein paar Hinweise auf BGG-Bestimmungen reichten dem Bundesgericht, obwohl der Beschwerdeführer offenbar auch eine frei zu prüfende Verletzung der Beweislastregel geltend gemacht hatte. Aber was soll’s: es war ja “von Anfang an” klar, dass nur er der Täter sein konnte. Bei dieser Ausgangslage kann seine Verurteilung per definitionem gar nicht willkürlich sein. Bei dieser Ausgangslage braucht es für Schuld- oder Freispruch eigentlich auch keine Richter, richtig?
es wird wohl auf die art der spur ankommen (z.b. blut, haare, hautschuppen, schweiss) um evtl. aussagen zu deren frische machen zu können. der entscheid enthält dazu m.e. nichts.
Nein, nicht richtig. Es gibt halt klarere und weniger klare fälle. Soweit ersichtlich, hat der beschwerdeführer nur sachverhaltsrügen vor das bundesgericht getragen. Den sachverhalt prüft das bg nur auf willkür. Das geht aus dem bgg und nicht der stpo hervor. Die rechtliche würdigung hat der beschwerdeführer ausdrücklich nicht angefochten. Darum verwundert auch nicht und ist nicht zu beanstanden, dass praktisch keine bestimmungen des stgb und der stpo zitiert wurden.
@Will Kür: Was Sie immer alles wissen. Beweislastregel wird frei geprüft. Das sagt das BGer ausdrücklich, aber vielleicht war es auch nur der Textbaustein, der mich in die Irre geführt hat. Dass keine Normen genannt werden, habe ich ja nicht beanstandet. Bemerkenswert fand ich es allemal.
Aber um die Beweislastregel ging es ja gar nicht: “Als Beweislastregel ist der Grundsatz verletzt, wenn das Gericht einen Angeklagten (einzig) mit der Begründung verurteilt, er habe seine Unschuld nicht nachgewiesen. Dies prüft das Bundesgericht mit freier Kognition” (E. 1 in fine). Die Terminologie des BGer ist zum Teil widersprüchlich, aber vorliegend steht die Beweiswürdigung unter dem Grundsatz in dubio pro reo in Frage, also ob das Gericht offensichtlich erhebliche Zweifel an der Schuld hätte haben müssen. Dieser Aspekt der Beweiswürdigung geht aber nicht über die Willkürprüfung hinaus, wie auch im Entscheid steht.
Ausserdem sehe ich kaum Skandalöses an der Verurteilung: Der Beschwerdeführer hatte ein widersprüchliches Aussageverhalten bei seinen angeblichen Alibis, googelte mehrfach nach Feuer resp. Brand in der Tatortgemeinde, noch bevor er von einem Dritten davon erfahren haben könne, ausserdem nach dem Begriff “Abmachung Straftaten zwischen Italien und der Schweiz” sowie nach “Strafe für Brandstiftung” (E. 2.1.3).
Na ja, das bg erwähnt ja, dass die beweislastregel nicht verletzt war. Offenbar war der fall klar genug, um das ohne (weitere) epische begründungen zu resümieren. Inwiefern es bemerkenswert sein soll, wenn nur die einschlägigen (und die nicht einschlägigen nicht) gesetzesbestimmungen genannt werden (die vor bg anders sein können als vor kantonalen instanzen), erschliesst sich mir nicht ganz. Ich finds eher banal.
Richter braucht es tatsächlich nicht mehr. Wir haben nun ja die KI, die gerechtere Urteile fällen wird.
Die Bestimmung des Alters biologischer Spuren ist Thema eines Forschungsprojektes des IRM Zürich.
Link: https://www.irm.uzh.ch/de/forschung/genetik/Aktuelle-Forschungsprojekte/Bestimmung-des-Alters-von-biologischen-Spuren0.html
Die Rüge der Willkür wurde in der Beschwerde explizit über 20x vorgebracht.
Andere mindestens so relevante Argumente wie jenes betreffend die bestrittene Frische der DNA-Spur wurden vom BGer gar nicht erwähnt.