Was das Strafrecht (nicht) bringt
Bundesrichter Hans Wiprächtiger äussert sich vor der Sondersession Strafrecht vom 03. Juni 2009 in einem sehr lesenswerten Beitrag im Tages-Anzeiger zur Wirkung von Sanktionen. Wiprächtiger warnt ausdrücklich vor populären aber übereilten und ev. sogar kontraproduktiven Gesetzesänderungen. Hier ein kleiner Auszug:
Untersuchungen zeigen immer wieder dasselbe auf: Es spielt keine Rolle, welche Sanktion ausgesprochen wird. Die Rückfallquote bleibt immer die gleiche, wie auch die jüngsten Zahlen des Bundesamtes für Statistik zeigen. Härtere Strafen vermindern die Kriminalität also nicht. Unlängst wurde in einer Studie zum Fahren in angetrunkenem Zustand nachgewiesen, dass die Rückfallquote in Kantonen mit strengen Sanktionen nicht tiefer ist als in solchen mit milderen Strafen. Weder die Art noch die Höhe der Strafe schrecken ab. Vielmehr beeindruckt die Gefahr, erwischt zu werden.
Nun, die Parlamentarier werden sich leider nicht beeindrucken lassen oder Wiprächtiger sogar die inzwischen übliche Verletzung des Prinzips der Gewaltenteilung vorwerfen. Gefolgschaft erlangt man als Politiker bekanntlich nicht durch weise Zurückhaltung, sondern durch markige Medienauftritte mit populärem Geschwätz. Davon werden wir am 3. Juni die Ohren voll kriegen.
Naja, eigentlich sagt er wiedermal nicht mehr, als dass einiges darauf hinweist, dass ein System so gut auf den Täter wirken soll wie das andere. Wenn aber das eine System – zusätzlich – bei den übrigen Rechtssubjekten mehr Glaubwürdigkeit geniesst, dann ist es letztendlich jenes System, das seiner rechtspolitischen Funktion besser gerecht wird. Das schlagende Argument für das aktuelle System bleibt auch er schuldig. Seine persönliche Präferenzen sind letztlich nicht mehr als das.
Man kann es auch auf das politisch Wesentliche reduzieren und sagen, dass man ein System nicht ändern soll, solange nicht aufgrund von Fakten belegt ist, dass es sich nicht bewährt hat. Dies gilt umso mehr, als die Forschung zumindest nicht belegt, dass härtere Strafen auf Dauer zu weniger Kriminalität führen.
Hat jemand dagegen gar keine Sanktionen zu befürchten, delinquiert er munter weiter, wie dies die Bundesrichter der strafrechtlichen Abteilung tun.
Schade, dass Tagesanzeiger und strafprozess.ch solchen kriminellen Bundesrichtern immer wieder eine Plattform bieten, um sich als Hüter des Gesetzes aufzuspielen, während sie sich in ihren Urteilen über das Gesetz hinweg setzen (vgl. frühere Kommentare zur Rechtsprechung der strafr. Abt. in diesem Blog).
Ob Sie es in den Tagi schaffen, T. Kohler, weiss ich nicht. Aber hier kommen selbst Sie zu Wort, auch wenn ich Ihre Meinung nicht teile.
Das aktuelle Argument für eine erneute Änderung ist ja eben, dass die letzte Revision genau das tat, nämlich etwas an sich nicht revisionsbedürftiges zu ändern.
Es bleibt die Glaubensfrage, ob man Täter eher an der Freiheit oder am Eigentum packen will. Funktionieren tun – zumindest angeblich – beide Systeme gleich gut, aber das ist eben weder für das eine noch das andere ein Argument.