Was ist eine Kontosperre?
Ein eigentlich völlig banaler Fall einer Kontosperre (BStGer BB.2017.177 vom 02.10.2017) lässt mich aufgrund einer merkwürdigen Transaktion darüber nachdenken, was das eigentlich strafprozessual ist.
In einem gegen unbekannte Täterschaft geführten Geldwäscherei-Strafverfahren hat die Bundesanwaltschaft das Bankkonto einer Gesellschaft gesperrt. Während des dagegen hängigen Beschwerdeverfahrens hat sie die Bank angewiesen, vom gesperrten Konto einen Betrag von CHF 120.963.00 auf ein anderes Konto der Gesellschaft bei derselben Bank zu überweisen (bisheriger Saldo offenbar CHF 0.00). Die Sperre des ersten Kontos hat die BA aufgehoben und dafür das zweite Konto mit dem genannten Saldo gesperrt. Die Gründe für diese Transaktion sind nicht bekannt.
Die Kontoinhaberin hat nun Beschwerde gegen die Sperre des zweiten Kontos geführt, worauf die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts nicht eingetreten ist . Sie argumentiert, dass
-
die Kontosperre eine Forderungsbeschlagnahme darstellt (Bommer/Goldschmid, Basler Kommentar, 2. Aufl., Basel 2014, Art. 266 StPO N. 15; Heimgartner, Strafprozessuale Beschlagnahme, Habil. Zürich/Basel/Genf 2011, S. 94, S. 186; vgl. TPF 2015 76 E. 1.4.2); in diesem Zusammenhang die Kontoinformation der Individualisierung und Erhältlichmachung der beschlagnahmten Forderung dient;
-
die angefochtene Verfügung lediglich einen Wechsel der Kontoinformation zur Folge hat, sie an der Beschlagnahme indes materiell nichts ändert;
-
über die Frage, ob die Beschlagnahme berechtigt sei, im Rahmen des bereits hängigen Beschwerdeverfahrens zu befinden ist;
-
mithin die Beschwerdeführerin durch die angefochtene Verfügung offensichtlich nicht beschwert ist, weshalb auf die Beschwerde ohne Durchführung eines Schriftenwechsels nicht einzutreten ist (Art. 390 Abs. 2 StPO e contrario);
Das ist wohl richtig, aber sicher bin ich nicht. Wenn es richtig ist, wäre die Praxis der Strafverfolgungsbehörden zu hinterfragen, jeweils konkrete Konti zu sperren. Konsequenter wäre es ja dann, den Beschlagnahmebefehl bspw. so zu formulieren, dass sämtliche Forderungen des Bankkunden gegenüber der Bank im Betrag von CHF X. beschlagnahmt werden. Die Kontonummern wären dann obsolet (wie man mit verschiedenen zivilrechtlichen Forderungsgründen umgehen würde, müsste man sich noch überlegen).
Ein solches Vorgehen würde aber ermöglichen, dass die Bank die Verpflichtungen gegenüber dem Kunden weiterhin erfüllen könnte. Um das Risiko der Doppelzahlung (und der Geldwäscherei?) auszuschliessen, müsste sie in ihrem eigenen Interesse nur sicherstellen, dass das Kundenguthaben nicht unter den beschlagnahmten Saldo sinkt (vgl. dazu das Konzept von Art. 266 Abs. 4 StPO). Danach ist eine Kontosperre als Berechtigung der Bank zu verstehen, ihre Verpflichtungen gegenüber dem Kunden verletzen zu dürfen, aber eben nur im Umfang des beschlagnahmten Betrags.
Aber vielleicht war ich einfach zu lange in den Ferien …
Was könnte denn ein Kontoguthaben anderes sein als eine Forderung gegen eine Bank?
Aber wie jede Forderung, hat jedes Kontoguthaben einen anderen Entstehungsgrund, manche sind deliktisch entstanden, manche unechte Surrogate von Deliktsgut, manche legalen Ursprungs. Entsprechend bestehen auch unterschiedliche Beschlagnahmegründe.
Ihr Vorschlag würde bei der Ersatzforderungs- oder Kostendeckungsbeschlagnahme funktionieren, aber bei der Einziehungsbeschlagnahme zu einer Vermischung von Deliktsgut und Vermögenswerten legalen Ursprungs führen.
Vermischung von Forderungen?
Wenn Sie wollen, können Sie es so formulieren, ich habe es nicht getan. Alternativ könnte ich Ihnen noch „Novation infolge Saldoziehung bei einem Kontokorrent mit Forderungen deliktischen Ursprungs und solchen nicht deliktischen Ursprungs“ anbieten. Das einziehungsrechtliche Problem bleibt aber.
Da zum Zeitpunkt der Beschlagnahme der konkrete Deliktsbetrag kaum jemals bekannt ist, werden in dieser ersten Phase meist vorsorglich sämtliche Vermögenswerte eines Beschuldigten blockiert. Erst im Lauf der Ermittlungen konkretisiert sich dann die Deliktsumme, was des der STA ermöglicht, eine teilweise Freigabe zu verfügen. Bei Gesellschaften ist zudem darauf zu achten, dass die betroffenen Konten nicht für den legalen Geschäftsbetrieb zur Verfügung stehen müssen. Hierfür finden sich jedoch ohne Zweifel andere Möglichkeiten um den Einziehungsanspruch sicherzustellen, ohne die Gesellschaft in ihrer operativen Tätigkeit ungebührlich einzuschränken.
Wäre die Urteilsbegründung – dass der erzwungene Wechsel einer Kontonummer für den betroffenen Kontoinhaber keine Beschwer darstelle ( „durch die angefochtene Verfügung offensichtlich nicht beschwert ist“, vgl dass-Erwägung, Bulletpunkt 7) – gültig, könnte die Staatsantwaltschaft eine Bank betreten, Konti saldieren lassen und jedem zwangsweise ein neues Konto mit einer neuen Kontonummer eröffnen, ohne die Kontoinhaber für das Neudrucken ihrer Bankverkehrsdokumente, den Bezug ihrer neuen Bankautomatenkarten und das Auswendiglernen ihrer neuen IBAN-Nummer angemessen entschädigen zu müssen. Auf die Beschwerde war einzutreten.