Weiterer Ausbau der Präventivhaft

Das Bundesgericht ändert seine Rechtsprechung zum Haftgrund der Wiederholungsgefahr und verzichtet neu auch noch auf das Erfordernis der „sehr ungünstigen Rückfallprognose“ (BGE 1B_373/2016 vom 23.11.2016, Publikation in der AS vorgesehen). Die Änderung beruht „auf besserer Erkenntnis der ratio legis“.

Das Bundesgericht rekapituliert die drei erforderlichen Elemente der Tatschwere, der Sicherheitsrelevanz und der Rückfallgefahr und klärt deren Zusammenhang. Das Ergebnis ist aber simpel: je schwerer die Tat, je geringer die Anforderungen an die Rückfallgefahr, die aber weiterhin nur restriktiv angenommen werden dürfe (vgl. dazu insbesondere E. 2.9). Wodurch es auf diese „umgekehrte Proportionalität“ schliesst, vermag ich nicht zu erkennen. Intuitiv hätte ich jetzt eher gesagt, die Rückfallgefahr nehme mit erhöhter Tatschwere eher ab denn zu. Aber ich weiss nicht, was richtig ist.

Die Änderung ist im Ergebnis wohl nicht sehr praxisrelevant, zumal die Kriterien nicht scharf sind. Das Bundesgericht setzt aber jedenfalls ein Zeichen für eine noch härtere Gangart bei Sexualstraftaten. Die Präventivhaft wird erleichtert.

Neu gilt also folgendes:

In Änderung der publizierten Rechtsprechung (BGE 137 IV 84 E. 3.2 S. 86 sowie die in E. 2.2 hiervor zitierten Urteile) ist demnach vom zwingenden Erfordernis der  sehr ungünstigen Rückfallprognose zur Bejahung von Wiederholungsgefahr Abstand zu nehmen. Notwendig, aber auch ausreichend ist nach dem Gesagten grundsätzlich eine  ungünstige Rückfallprognose. Diese Änderung steht mit dem Wortlaut von Art. 221 Abs. 1 lit. c StPO, wonach ein Rückfall „ernsthaft zu befürchten“ sein muss, in Einklang. Sie beruht auf besserer Erkenntnis der ratio legis (…) und stützt sich damit auf ernsthafte sachliche Gründe (E: 2.10).