Wen interessiert schon der Sachverhalt …
Dank des unsäglichen Instituts der antizipierten Beweiswürdigung entsteht immer wieder der Eindruck, die Justiz interessiere sich eigentlich gar nicht für den historischen Sachverhalt. Diesen Eindruck hat vielleicht auch ein Fussgänger, der eine Fahrradfahrerin behindert haben soll und deshalb wegen fahrlässiger einfacher Körperverletzung sowie Verletzung der Verkehrsregeln verurteilt wurde (echte Konkurrenz?). Der Fussgänger machte eine Verwechslung geltend, aber es stand Aussage gegen Aussage. In einem solchen Fall wäre man ja an sich dankbar, wenn noch weitere Beweismittel zur Verfügung stehen würden.
Die vom Fussgänger angerufene Zeugin mochten die Strafbehörden aber nicht befragen, was gemäss Bundesgericht rechtmässig war (BGer 6B_49/2013 vom 29.07.2013):
Die Vorinstanz setzt sich eingehend mit den Aussagen beider Parteien auseinander. Sie beurteilt die Schilderungen der Beschwerdegegnerin als glaubhaft und entkräftet die Sachverhaltsversion des Beschwerdeführers als nicht überzeugend. Diese Beweiswürdigung ist ohne Weiteres vertretbar und die gegen sie gerichtete Kritik appellatorisch (E. 1.2.2 hievor). Der Beschwerdeführer vermag deshalb mit der angerufenen Zeugeneinvernahme die vorinstanzliche antizipierte Beweiswürdigung nicht zu erschüttern. Zudem durfte bei der Vorinstanz Skepsis erregen, dass der Beschwerdeführer erstmals vor Vorinstanz näher darlegte, weshalb die von ihm angerufene Zeugin aus dem Geschäft heraus das Überqueren der Birmensdorferstrasse beobachtet haben sollte. Die Annahme, der Beschwerdeführer habe sich die behaupteten Beobachtungen der Zeugin im Hinblick auf die Berufungsverhandlung zurechtgelegt, ist nicht schlechthin unhaltbar. Noch anlässlich der Einvernahme durch die Polizei hatte der Beschwerdeführer lediglich behauptet, die Zeugin könne bestätigen, dass er im asiatischen Geschäft Visitenkarten geholt habe (während er im Übrigen anlässlich der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme zu Protokoll gab, ohne Erfolg nach einer Visitenkarte gefragt zu haben). Vor diesem Hintergrund durfte die Vorinstanz den als glaubhaft beurteilten Aussagen der Beschwerdegegnerin einen grösseren Beweiswert einräumen und als erstellt ansehen, dass der Beschwerdeführer die Birmensdorferstrasse nicht bereits auf der Höhe des asiatischen Geschäfts überquert hatte. Mithin konnte die Vorinstanz aufgrund dieses Beweisergebnisses ohne Willkür in antizipierter Beweiswürdigung auf die beantragte Zeugeneinvernahme verzichten. Der Schluss, es seien hievon keine neuen sachrelevanten Erkenntnisse zu erwarten, ist nicht unhaltbar (E. 1.3).
Tatsächlich: wenn man nicht weiss, was eine Zeugin gesehen hat, ist es nicht unhaltbar anzunehmen, sie habe nichts Entscheidendes gesehen. Warum man sie aber nicht einfach fragt, verstehe ich nicht.
Dem Beschwerdeführer wurde übrigens im kantonalen Verfahren zum Verhängnis, dass er die Glaubwürdigkeit der ihn belastenden Fahrradfahrerin in Zweifel zu ziehen suchte. Diese Versuche wurden als Lügensignale gewertet:
[Die Vorinstanz] zeigt verschiedene Ungereimtheiten in dessen Sachverhaltsvariante auf und wertet seine zahlreichen Versuche, die Beschwerdegegnerin in ein schlechtes Licht zu stellen (beispielsweise mit der Unterstellung, die Beschwerdegegnerin könne nicht Fahrrad fahren und sei nicht normal; er habe überlegt, ob es um einen Versicherungsbetrug gehen könnte etc.), als deutliche Lügensignale [E. 1.2.1].
Vgl dazu den ebenfalls heute auf der Website des Bundesgerichts aufgeschalteten Entscheid http://jumpcgi.bger.ch/cgi-bin/JumpCGI?id=30.07.2013_6B_310/2013: “Die Begründung, mit welcher die Vorinstanz den Beweisantrag des Beschwerdeführers abweist, überzeugt nicht. Wie eine Aussage zu würdigen ist, lässt sich erst entscheiden, wenn diese vorliegt.”
Nicht sehr kohärente Rechtsprechung…
Schätze der Betroffene weiss jetzt, was er von der ersten Einvernahme an aussagen (und beantragen) müsste, wenn sich der genau gleiche Sachverhalt noch einmal ereignet. Aber vielleicht würde er trotzdem verurteilt, weil Gerichtsurteile ja auch immer etwas zufällig herauskommen…
Wer im Rahmen eines derart gelagerten Strafverfahrens die Geschädigte als “nicht normal” bezeichnet und seine Gedankengänge zu einem möglichen Versicherungsbetrug darlegt, der ermöglicht eine zufallsfreie Urteilsfindung.
Wem das zu viel ist ,möge bitte diesen Artikel aus Deutschland lesen.
http://www.lto.de/recht/nachrichten/n/bverfg-beschluss-2-bvr-1750-12-befangenheit-richter-wahrheit-interessiert-mich-nicht/